Europa Reise

Giro d’Italia

Eine Paddelreise mit dem Wohnmobil: eine unschlagbare Kombination aus Ungebundenheit, Naturgenuss und Spaß auf dem Wasser. Um so besser, wenn es dann auch noch nach Italien geht. Die Geschichte von einer Rundreise – mit dem Plan, keinen Plan zu haben.

shutterstock (großes Bild)

Zugegeben: Ganz so einfach wie bei der Miete eines normalen Pkw, also Schlüssel entgegennehmen und losfahren, läuft das bei einem Wohnmobil nicht. Vor die Wochen voller Freiheit hat der Vermieter eine online-Checkliste gesetzt. Und so tapert man mit dem Smartphone in der Hand um sein rollendes Urlaubszuhause herum, begibt sich zwischendurch ins Innere und hakt die einzelnen Punkt ab. Wobei man Wichtiges, um nicht zu sagen Unentbehrliches, lernt: Wie füllt man den Frischwassertank, und wo lässt man das Altwasser ab? Wie öffnet man die Gasflasche für die Küchenzeile? Wo kommt die Elektrizität her? Was verrät einem der famose Bordcomputer? Und wie war das nochmal mit der Außendusche? Hört sich viel an, ist es aber nicht und nach rund zehn Minuten erledigt. Danach fahren wir vom Hof, und auch wenn es erstmal ein paar Kilometer durch ein unansehnliches Gewerbegebiet geht, stellt sich augenblicklich so etwas wie Freiheitsgefühl ein. Wohin wollen wir? Nach Italien, erster Stop vermutlich Gardasee. Danach weiter nach Süden. Wann und wohin genau? Keine Ahnung, ergibt sich dann.
Also ab auf die A9, dann auf die Ostumfahrung München. Bayerns schöne Hauptstadt muss irgendwo da rechts liegen, aber das ist uns jetzt gleichgültig. Dann möglichst schnell zur Grenze bei Kiefersfelden. Ein kleiner Zipfel von Österreich, und ehe man sich’s versieht, rollt man durch Norditalien.

Gardasee, erster Versuch

Okay, wir sind mal wieder im Sehnsuchtsland so vieler Teutonen. Wodurch sich erstmal nicht allzu viel ändert. Berge links, Berge rechts, dazwischen Autobahn. Der erste Aha-Effekt kommt erst, als das Schild zur Autobahn-Abfahrt Rovereto-Sud die verheißungsvolle Ergänzung »Lago di Garda Nord« aufweist. Eigentlich wollten wir weiter ans Südufer, genauer gesagt nach Peschiera. Aber was soll’s, die Sonne scheint, die Laune passt, also Routenänderung und runter von der Autobahn, um am Ostufer des Sees entlang weiter nach Süden zu fahren. Dauert länger? Kann schon sein, aber egal. Ein echter Wohnmobil-Moment.
Als uns nach etwa einer halben Stunde plötzlich das Blau des Gardasees entgegen glitzert, nimmt das Urlaubsgefühl so richtig Fahrt auf. Italiens größter See ist im Nordteil nur rund vier Kilometer breit, und irgendwie sorgt die Konstellation der umgebenden Berge dafür, dass hier häufig ein kräftiger Wind weht. Das wiederum macht das Städtchen Torbole zu einem wahren Hotspot für Surfer, die zwischen weißbekrönten Wellen mit teils atemberaubendem Tempo dahin schießen. Für Paddler ist dieser Wind weniger ideal, aber doch oftmals beherrschbar, und so führen einige der spektakulärsten Gardasee-Touren unter den steilen Felswänden entlang, die am gegenüber liegenden Ostufer aufragen.
Trotzdem, uns ist nicht so sehr nach Bergen und Steilufern. Wir wollen dahin, wo der See breiter wird, die Landschaft sanfter, Italien noch ein Stück italienischer. Dennoch, wir kommen nicht mehr bis Peschiera. Die Endstation für heute ist Bardolino. Wegen einer Panne? Quatsch, weil das Städtchen wunderschön ist. Und weil wir ein Schild zu einem Campingplatz direkt am Wasser gesehen haben (Camping Continental, www.campingarda.it). Also bleiben wir kurzentschlossen hier. Der zweite Wohnmobil-Moment für heute.
Am Abend schlendern wir durch das Zentrum der 7000-Einwohner-Gemeinde, durch beschauliche Gassen, entlang der Seepromenade und vorbei an prallvollen Restaurants. Während des Bummels drängen sich zwei Beobachtungen auf: Erstens – auch Bermudashorts können edel und sündteuer sein. Und zweitens – der Aperol Spritz hat anscheinend den klassischen vino rosso als Standardgetränk der Italiener abgelöst. Was soll’s, egal, wir krabbeln halbwegs zeitig in unser Wohnmobil. Morgen soll’s ans Paddeln gehen, eine Tagestour vom Campingplatz aus Richtung Norden, vorbei an Garda und der Punta San Vigilio.

Ein malerisches Städtchen: Bardolino am Westufer des Gardasees. Foto: shutterstock

Comácchio

Schade, daraus wird nichts. Am Morgen prasselt heftiger Dauerregen auf’s Wohnmobildach. Und ein Blick aufs Smartphone verrät, dass sich das bis auf Weiteres nicht ändern wird. Also bloß weg hier – noch ein Wohnmobil-Moment, bloß nicht so erfreulich. Vorbei geht es an Verona und auf Landstraßen durch die Po-Ebene, Richtung Südosten, Richtung Adria. Die Scheinwerfer kämpfen einen wackeren Kampf mit dem sturzbachartigen Regen, und manchmal verlieren sie ihn fast.
Erst in der Gegend von Ferrara lässt der Regen nach und verstummt schließlich ganz. Als an einem Kreisverkehr ein Schild mit der Aufschrift »Comácchio« auftaucht, zögern wir und gönnen dem Kreisverkehr zwei Extrarunden für eine kurze Debatte. Soll ja eine Art »Klein-Venedig« sein, außerdem UNESCO-Weltkulturerbestadt und doch ein kaum von Touristen behelligter Geheimtipp. Also gut, dann eben Comácchio, so lautet die Entscheidung im zweiten Wohnmobil-Moment für heute.
Bei der Ankunft erfüllen sich glücklicherweise die Hoffnungen: Das Fischerstädtchen liegt auf 13 kleinen, von mehr oder weniger engen Kanälen begrenzten Inseln. Ein Einstieg für das Kajak ist auch schnell gefunden: Nach einer Kurve der Via Trepponti ragt rechterhand ein hölzerner Aussichtsturm auf, darunter befindet sich ein Parkplatz. Jetzt nur noch das Boot über die Straße in die kleine Via S. Pietro schleppen und an deren Ende auf’s Wasser des Kanals setzen – alles in allem etwa 100 Meter. Danach geht es in aller Ruhe den Kanal hinauf Richtung Ortszentrum, vorbei an Wohnhäusern, hindurch unter teils imposanten Brücken. Linkerhand taucht irgendwann der beeindruckende, mit Säulen geschmückte Bau des Museo Delta Antico auf. Hier sollte man noch ein Stück weiter paddeln, vorbei an Geschäften und ein, zwei Restaurants direkt am Wasser, dann umkehren und bei der die Häscherbrücke (Ponte degli Sbirri) links abbiegen, hin zur Ponte dei Trepponti. Dann noch ein Stückchen weiter, ganz nach Belieben, und zurück zum Ausgangspunkt. Das Ganze dauert nicht allzu lang, zwei, drei Stunden vielleicht, wenn man jeden Meter auskostet – wegen niedriger Brücken sind nämlich nicht alle Kanäle befahrbar.
Allerdings gibt es für Paddler in Comácchio eine weitere Attraktion, die weit größere Strecken ermöglicht: Eine Tour auf der mit 14.000 Hektar äußerst weitläufigen Lagune, hier Valli di Comácchio genannt, ist zwar landschaftlich kein sonderlich spektakuläres Erlebnis, führt aber vorbei an mehreren Trabucchis (Fischfangplattformen), schilfbedeckten Fischerhütten und traditionellen Fangvorrichtungen für Aale. Außerdem finden hier zahllose Wasservögel eine Heimat, und wer Glück hat, kann vom Boot aus Flamingos beobachten. Auch diese Tour kann man an dem hölzernen Aussichtsturm beginnen und beenden.
Am Ende eines langen Paddeltages braucht man von hier aus nur noch rund 500 Meter zu fahren, und man erreicht den kostenlosen Wohnmobil-Stellplatz an der Via Conca (siehe Infoteil). Hier empfängt einen echtes Parkplatz-Ambiente mit Asphalt, Supermarkt und Dixie-Klos. Macht aber nichts, auch so etwas gehört zu den Wohnmobil-Momenten. Außerdem braucht man nur ein paar Meter auf eine Art Uferdamm schlendern, und schon genießt man wieder den Blick auf die Lagune.

Gargano: Vieste

Der nächste Tag. Frühstück im Asphalt-Ambiente. Der Himmel kann sich immer noch nicht so richtig entscheiden, zwischen Grau und Blau und vielen Nuancen dazwischen. Also Entscheidung: ein großer Sprung nach Süden. Nächstes Ziel: die Halbinsel Gargano in Apulien, die wie ein Sporn des italienischen Stiefels in die Adria hinein ragt. Genauer gesagt, die Stadt Vieste, die von unserem derzeitigen Standpunkt gut 570 Kilometer entfernt ist. Kein Problem, wer mit dem Wohnmobil unterwegs ist, sollte Fahrten als Teil des Urlaubsvergnügens begreifen. Und das fällt leicht auf der Autostrada Adriatica A14, die immer mal wieder einen Blick aufs blaue Mittelmeer zulässt und, kaum hat man den Großraum Ravenna verlassen, ein stetes Dahinschnurren bei wenig Verkehr ermöglicht. Mag unter anderem an den angeblich horrenden Mautgebühren in Italien liegen. Dabei haben wir für den gesamten Autobahn-Abschnitt von rund 450 Kilometern nur 38,40 Euro Maut bezahlt. »Horrend« geht anders.
Auf der Halbinsel Gargano angekommen, liegt einiges an herausfordernder Serpentinen-Kurbelei vor uns, aber dann rollen wir am späten Nachmittag auf den Campingplatz »Umbramare«. Lage direkt am Meer, Pizza im Strandrestaurant bei der Live-Übertragung des Europameisterschafts-Spiels Italien gegen Kroatien. Riesenstimmung, als die Azzurri in der letzten Minute den Ausgleich erzielen. Paddlerherz, was willst Du mehr?
Naja, paddeln wäre nicht schlecht.
Zu diesem Zweck füllen wir am nächsten Morgen unser Luftboot vom Typ Gumotex Seashine. Der Strand liegt noch weitgehend verlassen da, aber das wird sich bald ändern. Uns stehen rund neun Kilometer Hinweg bevor, bis zu unserem Ziel, der Altstadt von Vieste. Also schieben wir das Boot ins Wasser, Kurs Südost, und paddeln erstmal an dem lang gezogenen Sandstrand entlang, der geprägt ist von Campingplätzen, Bars, Restaurants und in Reih und Glied aufgestellten Sonnenliegen. Am Ende der Bucht steht ein aus Natursteinen gebauter Turm, und dann folgen rund anderthalb Kilometer schroffe Felsküste ohne Möglichkeiten zum Anlanden (soll heißen, man ist gut beraten, diese Tour nur bei verlässlichem Wetter anzugehen). In der Folge wechseln sich Strände und Klippen miteinander ab, bis man am Spiaggia di San Lorenzo entlang paddelt und die Stadt Vieste bereits im Blick hat. Man stößt nun auf eine lang gezogene Hafenmole und danach auf die Einfahrt in ein geräumiges Hafenbecken, geradeaus der markante Turm Faro di Vieste. Hier sollte man aber nicht hinein fahren, sondern den Hafen rechts liegen lassen und noch ein Stück weiter paddeln, denn das Beste kommt ja oft zum Schluss, und das gilt auch für diese Tour. Nach dem Hafen liegt die Altstadt von Vieste vor uns, auf einer Felsen-Halbinsel, die wie ein schrundiger Finger ins Meer ragt. Ein atemberaubender Anblick, vor allem nachdem wir die Spitze der Halbinsel und einen Trabucco passiert haben, der sich mit seinem Holzgerüst an die Klippen krallt. Nun, auf der Südseite der Halbinsel, geht es noch durch eine durch Wellenbrecher geschützte Flachwasserzone bis hin zu einem fast schneeweißen Fels am Beginn des langgezogenen, schnurgeraden Stadtstrandes von Vieste.
Hier lassen wir das Boot liegen, um ein Weilchen durch die Altstadt zu schlendern, vorbei an der Cattedrale Santa Maria Assunta, durch enge Gassen mit teils kräftigen Steigungen und zu Aussichtspunkten mit einem fast schon kitschigen Blick aufs Meer.
Auf den neun Kilometern Rückweg werden die Arme lang, die Schultern ein wenig missmutig, der Kopf müde. Zum Glück haben wir genug Wasser dabei, auch wenn das mittlerweile die Temperatur und den Geschmack lauwarmer Hühnerbrühe von vorgestern hat. Aber es gibt einen Tipp für alle, denen diese Tour zu lang und zu zeitraubend erscheint: einfach mit dem Auto an den Stadtstrand von Vieste fahren, dort ins Boot klettern, die Altstadt umrunden und danach so weit paddeln, wie man eben möchte.

Gargano: Peschici

Der nächste Tag beginnt mit einer typischen Wohnmobilisten-Debatte: noch einen Tag bleiben (oder vielleicht sogar zwei) oder weiterfahren? Die Entscheidung lautet: weiterfahren, aber nicht weit. An der Nordküste der Halbinsel Gargano gibt es nämlich noch ein sehenswertes Städtchen. Es heißt Peschici, und so mancher Ortskundige hält es für noch pittoresker als Vieste.
Und da ist was dran. Auch die Altstadt von Peschici liegt auf einer Klippe, die ins Meer hinein ragt, allerdings nicht ganz so dünn und fingerartig wie die von Vieste. Auch hier führt unser Stadtbummel durch enge Gassen, auch hier fällt der Blick durch Häuserlücken immer wieder aufs Mittelmeer. Und doch wirkt das Ganze etwas beschaulicher als Vieste. Zumindest bis wir ganz vorne auf der Klippe das Castello di Peschici erreichen. Ein trutziger Bau, der jedes Mittelalter-Klischee erfüllt und konsequenterweise ein Foltermuseum beherbergt.
Muss heute nicht sein, also suchen wir lieber einen Standplatz für unser rollendes Zuhause. Es dauert nicht lange, da finden wir einen Wohnmobil-Stellplatz unterhalb der Altstadt, direkt am Strand von Peschici. Noch genug Zeit für eine Paddeltour. Also ab an den Strand, das Boot aufgepumpt, durch die Wellen und erstmal Kurs West, also weg von der Altstadt. Somit geht es zunächst am Strand entlang, vorbei an einer kleinen Klippe und der gefühlt malerischsten Strandbar der Welt in einer kleinen Bucht, die man nur über einen Trampelpfad erreicht oder indem man im Wasser um die Klippe herum stapft. Oder eben mit dem Paddelboot. Danach Felsküste, in allen Schattierungen von Stein, ausgehöhlt durch kleine Grotten, und mal wieder einer der unvermeidlichen Trabucco. Allzu weit paddeln wir nicht in diese Richtung, viel lieber bewundern wir jede Felsenbucht in Ruhe. Als wir den nächsten Sandstrand erreichen, machen wir kehrt, passieren unsere Einstiegsstelle und halten auf die Hafenmole von Peschici zu. Der Hafen bleibt rechts liegen, die Altstadt leuchtet weiß in der Sonne, und da liegt sie vor uns, die massive Klippe mit dem trutzigen Castello obendrauf, etwa 80 Meter über dem Meer. Errichtet wurde die Burg im 10. Jahrhundert von slawischen Söldnern, die das Gebiet von moslemischen Sarazenen befreit hatten. Mit ihrer strategisch wichtigen Lage am nördlichsten Teil des kontinentalen Apulien und dem weiten Blick auf Meer und Küstenabschnitt hatten ihre Bewohner lange einen wachsamen Blick auf unwillkommene Besucher. Aber die kamen sicher anders daher als wir heute in unserer Nussschale und farbenfrohen Schwimmwesten.

Lago Trasimeno

Der Abschied von der Halbinsel Gargano fällt nicht leicht, aber am nächsten Tag machen wir uns auf die Socken. Das nächste Ziel ist der Lago Trasimeno, gelegen mitten in Italien und bekannt geworden durch eine Schlacht im Jahr 217 v. Chr., in der eine karthagische Armee unter Hannibal ihre römischen Kontrahenten vernichtend schlug (was den Karthagern auf die Dauer nicht half). In Sachen Paddeln: terra incognita, zumindest für uns, aber wir wollen es auf einen Versuch ankommen lassen.
Als wir schließlich das Städtchen Passignano sul Trasimeno und den immerhin 128 Quadratkilometer großen See erreichen (zum Vergleich: Der Chiemsee, das »Bayerische Meer«, ist rund 80 Quadratkilometern groß) stellen wir fest: recht ansehnlich, aber wenn man die vielen Hundert Kilometer Anreise bedenkt, nicht spektakulär genug, um das Gewässer Paddlern aus dem deutschsprachigen Raum zu empfehlen. Also wieder mal so ein Wohnmobil-Moment: kurzes Beratschlagen und dann der Entschluss, ohne Paddeltour am nächsten Tag weiterzufahren zum Gardasee, schonmal Richtung Heimat, aber noch nicht nach Hause (Übernachtungstipp für Leute, die mit Wohnmobil durch Passignano kommen: Wohnmobil-Stellplatz L’Airone Area Verde per Camper, areacamperlairone.weebly.com).

An der Uferpromenade von Passignano sul Trasimeno.

Gardasee, zweiter Versuch

Also doch noch Peschiera. Die Stadt mit ihren etwa 11.000 Einwohnern liegt am südöstlichen Eck des Gardasees an seinem einzigen Ausfluss, dem Mincio. Festungsarchitekten der Republik Venedig errichteten in der frühen Neuzeit wuchtige Festungsmauern um die heutige Altstadt, die seit 9. Juli 2017 Teil der UNESCO-Welterbestätte »Venezianisches Verteidigungssystem des 16. bis 17. Jahrhunderts« sind. Und eben diese Verteidigungsanlagen machen eine Paddeltour rund um Peschiera zu etwas Besonderem.
Also bringen wir am Kiesstrand unterhalb des Campingplatzes Cappuccini unser Boot zu Wasser und nähern uns der Altstadt von Westen. Am Ende einer langen Uferpromenade passieren wir einen kleinen Hafen und biegen danach rechts ab zum wehrhaften Mauerwerk, das oben von zahlreichen Zedern geschmückt wird. Immer weiter geht es unterhalb der Festung und um mehrere Ecken herum, bis wir schließlich die mit zahllosen Blumen geschmückte Ponte di Porta Brescia erreichen und mit ihr das gleichnamige Tor, das in die Altstadt führt. Also legen wir nach der Brücke rechts an, lassen das Boot liegen und bummeln mal wieder durch ein beschauliches italienisches Städtchen. Jedes Mal ähnlich, jedes Mal anders. Und auf jeden Fall so charmant, dass wir beschließen, am Abend wiederzukommen, zu Fuß, auf einen Aperol Spritz oder zwei, ohne Flip Flop-Look und ohne Schwimmwesten mit uns herum zu schleppen.
Jetzt geht es aber erstmal zurück zum Boot und weiter unterhalb der Festungsmauern, vorbei an einer scharfen Rechtskurve, durch ein kleines Hafenbecken, nach der Ausfahrt scharf rechts ab, unter einer niedrigen Straßenbrücke hindurch (Köpfe einziehen!) und einmal quer durch die Altstadt. Danach nochmal unter einer Brücke hindurch, und man hat zwei Möglichkeiten: entweder nach rechts halten, Richtung Mincio und den Fluss ein Stück hinab paddeln, ganz nach Lust und Laune (wobei man erstmal zwei unansehnliche Brücken unter der Tangenziale Nr. 11 und der Autobahn A4 passieren muss). Oder nach links, um den nördlichen Teil der Festung herum, zurück auf die Seefläche und zum Ausgangspunkt der Tour.

Heimwärts

Am nächsten Tag geht es Richtung Heimat. Mit leisem Bedauern gehen wir nochmal die Wegfahr-Checkliste durch: Aufstelldach eingefahren, Elektrizitätskabel eingeholt, Gasflasche geschlossen. Dann verlassen wir den Campingplatz und nähern uns der Autobahn. Doch dann bringt uns einer dieser Wohnmobil-Momente zum Entschluss, die Autobahn Autobahn sein zu lassen und die Alpen auf der alten Brenner-Passstraße zu passieren. Dauert länger, spielt keine Rolle. Zuerst geht es durch weitläufige Täler voller Weinreben. Die bekannten Valpolicella-Weine kommen aus dieser Gegend und ebenso die weniger bekannte Rebsorte Lagrein. Dann wird das Tal enger, die Berge schroffer, und manchmal erfreuen uns die auf der nahen Autobahn vorbei brausenden Autos mit dem Gedanken, dass zumindest wir es heute nicht eilig haben. Sollte uns der Weg nach Hause zu lang werden, biegen wir eben nochmal ab, suchen ein lauschiges Plätzchen und schlafen eine weitere Nacht in unserer rollenden Unterkunft. Wer weiß. Nicht zum ersten Mal auf dieser Reise fliegt ein Zitat durch meine Gedanken: »Es ist eine gefährliche Sache, aus deiner Tür hinaus zu gehen. Du betrittst die Straße und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen.« Das sagt Bilbo Beutlin in Tolkiens Fantasy-Epos »Der Herr der Ringe« zu seinem Neffen Frodo. Man könnte fast meinen, der berühmte Hobbit hätte eine ähnliche Sehnsucht in sich getragen wie viele der Menschen, die heute in ihre Wohnmobil-Abenteuer aufbrechen. Und die oft am Anfang der Reise noch nicht so genau wissen, wo sie hinführen und was sie mit sich bringen wird.

Ein Wohnmobil mieten: Praxistipps

Wer kein rollendes Eigenheim besitzt, der kann heutzutage problemlos eines mieten. Die Preise dafür variieren stark, je nach Saison und Fahrzeuggröße. Wer ohne Campingplatz- oder Stellplatz-Reservierungen losfährt, um wirklich ungebunden zu sein, sollte sich vorab über mögliche »Stoßzeiten« in seinem Urlaubsland informieren. Im Fall Italien kann es allerdings schwierig werden, den dortigen Sommer-Schulferien zu entgehen, denn die sind drei Monate lang und starten (je nach Region leicht unterschiedlich) Anfang Juni – decken also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit genau die Zeit ab, in der man selbst unterwegs sein möchte. Allerdings: Wir selbst waren um den Monatswechsel Juni/Juli in Italien unterwegs – und fanden überall problemlos und auf Anhieb ein freies Plätzchen.
Noch ein paar Tipps für alle, die zum ersten Mal ein Wohnmobil mieten: Planen Sie bei der Abholung etwas Zeit ein, um sich in Ruhe mit Ihrem rollenden Zuhause für die nächsten Wochen vertraut machen zu können. Übertreiben Sie es nicht mit der Größe des Fahrzeugs – wer zuhause nur einen Kleinwagen durch die Gegend kutschiert, kann am Steuer eines Gefährts von über drei Tonnen schonmal ins Schwitzen kommen, wenn es um Haarnadelkurven in Serpentinen (wie im Gargano!) oder durch enge Altstädte geht. Gönnen Sie sich die Vollkasko-Versicherung – schont garantiert die Urlaubsnerven. Bei aller Ungebundenheit: Seien Sie sich zumindest über die ganz grobe Route im Klaren und informieren Sie sich vorab über die lokalen Paddelgelegenheiten. Beim Öffnen und Schließen eines Aufstelldachs immer eine Tür oder ein Fenster geöffnet halten! Und wenn Sie nicht gerade einen Trip durch Wildnis fernab der Zivilisation planen: Stopfen Sie das Wohnmobil nicht mit Proviant von zuhause voll – es macht viel mehr Spaß, die Küche vor Ort auszuprobieren.
Der geschilderte Rundtrip durch Italien fand mit einem hochmodernen Wohnmobil vom Typ VW T6.1 von Roadsurfer statt, einem der größten und renommiertesten Wohnmobil- und Camper-Vermieter mit mehr als 70 Stationen in 16 Ländern in Europa und Nordamerika. Neben der Miete für einen Urlaub sind bei Roadsurfer auch Langzeitmieten oder Kauf möglich. Und auf der Roadsurfer-App kann man sich unterwegs über Stellplätze informieren und sie auch gleich buchen. Weitere Infos: roadsurfer.com/de/

Auf der Halbinsel Gargano: unterwegs mit dem Roadsurfer-Wohnmobil.

Reiseinfo Gardasee

Der Gardasee ist Italiens größter See. In Zahlen bedeutet das: 370 Quadratkilometer, 51,6 Kilometer Länge, im Norden etwa vier Kilometer breit, im Süden über 17, Uferlänge 158 Kilometer. Eine Seeumrundung ist somit ein größeres Unterfangen, aber der Gardasee bietet jede Menge Optionen für Paddeltouren zwischen ein paar Stunden und ein paar Tagen. Aufgrund der Lage und der geringen Meereshöhe von nur 65 Metern herrscht üblicherweise mediterranes Klima. Zumindest meistens – man kann auch Pech haben …
Charakter der Touren/Gefahren: in der Regel Zahmwasser. Vorsicht bei aufkommendem Sturm oder Gewittern, ebenso vor den großen Pötten der Seeschifffahrt, vor allem in Hafenbereichen. Vor allem im Norden des Sees kann es zu kräftigem Wellengang kommen.
Übernachtung: zahlreiche Campingplätze rund um das Seeufer. In unserem Fall: Camping Cappuccini, via Arrigo Boito, Peschiera del Garda, www.camp-cappuccini.com.
Bootsverleih: https://www.campingsanbenedetto.it/de/bedienung/verleih
Geführte Touren: xadventure.it/de/kanu-kajak/
Weitere Infos: www.visitgarda.com/de/gardasee
Literaturtipps:
· »Outdoor Kompass – Gardasee«, Alfons Zaunhuber, Thomas Kettler Verlag
· »Die schönsten Kanutouren in Norditalien«, Alfons Zaunhuber, DKV-Verlag

Auf dem Campingplatz Camping Cappuccini in Peschiera del Garda.

Reiseinfo Comácchio

Comácchio: Stadt mit rund 22.000 Einwohnern, gelegen in der Provinz Ferrara, in der östlichen Po-Ebene und in unmittelbarer Nähe der Adria. Die Stadt ist von zahlreichen Kanälen durchzogen und liegt an einer weitläufigen Lagune. Neben dem Tourismus (vor allem an den nahegelegenen Adriastränden) gehören Fischerei und Aalzucht zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Gemeinde – zu den typischen Spezialitäten gehört marinierter Aal (Anguilla marinata).
Charakter der Tour: Zahmwasser. Keine Befahrungsregeln, aber auf der Lagune bitte auf Brutzonen und -zeiten achten.
Übernachtung: in unserem Fall kostenloser Wohnmobil-Parkplatz, Via Conca, 15, 44022 Comácchio. Weitere Unterkünfte: www.visitcomacchio.it/de/.
Bootsverleih: keiner, eigenes Boot erforderlich.
Geführte Touren: www.genusspaddeln.at (nicht in Comácchio, aber im nahen, verzweigten Delta des Po).
Weitere Infos: www.visitcomacchio.it/de/, emiliaromagnaturismo.it/de/orte/comacchio
Literaturtipp:
»Die schönsten Kanutouren in Norditalien«, Alfons Zaunhuber, DKV-Verlag

Am Einstieg zur Paddeltour in den Kanälen von Comácchio.

Reiseinfo Gargano

Die Halbinsel Gargano ragt im nördlichen Apulien mit ihren rund 2015 Quadratkilometern etwa 65 Kilometer in die Adria hinein. Sie wird auch als »Sporn« des italienischen Stiefels bezeichnet. Geprägt wird sie vom bewaldeten Inneren mit einem reichen Bestand an Wildtieren (große Teile der Halbinsel gehören zum Nationalpark Gargano) sowie malerischen Orten an der Küste, darunter Vieste und Peschici.
Charakter der Touren/Gefahren: Meer in Küstennähe. Wind und Wetter können sich schnell ändern, ein Anlanden ist nicht überall möglich. Mehrstündige Touren sind daher nichts für Anfänger. Vor dem Start der Tour Rückkehr planen und Anlandemöglichkeiten unterwegs checken. Vorsicht bei windanfälligen Booten.
Übernachtung: in unserem Fall bei Vieste der Campingplatz Umbramare Camping Village, Località Imbarcatoio Vieste (FG) 71019, Litoranea Vieste-Peschici, www.umbramare.it. In Peschici der Wohnmobil-Stellplatz Sosta Camping Baia de Peschici, Pantanello, 71010 Peschici, www.sostacamperbaiadipeschici.it. An der Küste gibt es zahlreiche weitere Campingplätze. Weitere Unterkünfte: www.tuttogargano.com. Achtung: Zwischen Mitte Juli und Ende August kann es auf dem Gargano sehr voll werden – die Reise besser für die Zeit davor oder danach planen.
Bootsverleih: kein Verleih von Paddelbooten bekannt. Also eigenes Kajak mitbringen – und zwar eines, das sich für Meer und Küstenbereiche eignet.
Weitere Infos: www.tuttogargano.com (italienisch und englisch)
Literaturtipp:
»Marco Polo Reiseführer Apulien«, Stefan Maiwald, Verlag Mairdumont

Halbinsel Gargano: Blick von Peschici aufs Mittelmeer.