Europa Reise

Schweden von Süd nach Nord

Sucht man ein perfektes Kanurevier, in dem wirklich alle Paddler glücklich werden, kommt man an Schweden nicht vorbei. Unser Autor hat sich auf die Suche gemacht, das Land von Süd nach Nord bereist – und Reviere gefunden für Seekajaker, Wasserwanderer und Wildwasserpaddler.

Rainer Nieger

Schweden: ein großes Land mit einer Vielzahl unterschiedlichster Gewässer. Für jeden Paddlertyp ist etwas dabei:

Mit dem Seekajak durch die Schären
Mit den herrlichen Schärengärten der West- und Ostküste gibt es zwei Seekajak-Reviere der Extraklasse – keine offene, wenig abwechslungsreiche Küste, sondern tausende kleiner Inseln, Eilande und imposanter Felsformationen mit oft vor Wind und Wellen geschützten Routen. Der »Archipel« der Westküste ist etwas wilder und urwüchsiger als der an der Ostküste. Pittoreske kleine Fischerdörfer finden sich immer wieder entlang der Route – ideal für einen Abstecher während der Kanutour. Übrigens: Mit rund 221.800 Inseln ist Schweden das inselreichste Land der Welt!

Der Klassiker: die Gepäcktour
Eine klassische, oft mehrtägige Gepäcktour, auf der die komplette Ausrüstung im Kanu mit transportiert wird, ist wahrscheinlich das Bild, das die meisten im Kopf haben, wenn sie an Kanufahren in Schweden denken. Und ja, das passt perfekt – unwahrscheinlich vielfältig sind hier die Möglichkeiten. Kleine und große Seenplatten, oft verbunden durch Flussläufe, bieten unzählige Möglichkeiten für mehrtägige Touren. Durch das »Jedermannsrecht« ist es relativ einfach, Campgrounds zum Übernachten zu finden. Häufig werden für diesen Zweck Canadier verwendet, in erster Linie aufgrund der hohen Zuladung. Aber auch »aufnahmefähige« Kajaks sind geeignet.

Etwas sportlicher: die Expeditionstour
Viele Gewässer Schwedens haben das Potential für etwas sportlichere Versionen einer Gepäcktour. Es gibt viele Flüsse oder kleinere Seenplatten, die durch Flussläufe miteinander verbunden sind, was sie perfekt macht für eine Tour mit Expeditionscharakter. Oft gibt es spannende Herausforderungen wie Baumhindernisse, Schwälle und Wildwasserpassagen – die perfekten Boote für diesen Zweck sind die sogenanntes Crossover Kajak mit ihrem gelungenen Kompromiss aus Wildwasser- und Wandertauglichkeit.

Noch sportlicher: ab auf’s Wildwasser
Mit Wildwasser assoziieren viele Paddler eher das Nachbarland Norwegen. Doch auch Schweden hat da einiges zu bieten. Die Flüsse unterscheiden sich allerdings zumeist von den bekannten Alpenflüssen. Es gibt ein deutliches Süd-Nord-Gefälle, was den Schwierigkeitsgrad und die Größe der Flüsse angeht. In Schweden gibt es kein Gedränge im Kehrwasser – oft hat man die herrlichen Wildflüsse für sich allein. Und dazu optimale Trainingsmöglichkeiten.

Natürlich schafft es unser Autor nicht, all die Möglichkeiten für Kanufahrer aufzulisten – aber jede Menge abwechslungsreiche Tipps hat er schon.

Der Süden

Unsere Reise beginnt im Süden Schwedens, der durch diverse Fährverbindungen und die Öresund-Brücke recht schnell erreichbar ist und sich daher zumindest für »deutsche Nordlichter« auch für einen kürzeren Besuch anbietet. Der südliche Zipfel ist recht schmal, und ruckzuck geht es wahlweise an die West- oder Ostküste zum Seekajakfahren. Sowohl an der Westküste in der Provinz Bohuslän, als auch an der Ostküste in Blekinge und Smaland beginnen die wundervollen Archipelagos mit ihren tausenden kleinen Inseln.
Das Koster-Archipelago an der Westküste ist Schwedens letzte Inselgruppe vor dem offenen Meer und erster maritimer Nationalpark des Landes. Hier findet man rund 6000 maritime Spezies. Auf einer Paddeltour begegnet man (fas) sicher Seehunden, die oft zum Sonnenbaden auf den Felsen liegen. Hier verändert sich auch der Charakter der Felsen und zahllosen Inseln – sie bestehen nicht mehr aus Granit, sondern aus Gneis. Ein Labyrinth aus Inseln am Horizont, die oft so nah beieinander liegen, dass die Durchfahrten selbst für ein Kajak manchmal zu eng erscheinen.
Immer noch in Südschweden geht es nun in die wasserreiche Provinz Smaland, mit ihren Seen, Flüssen und einem herrlichen Schärengarten an der Ostküste. Ein Revier mit zahllosen Optionen für Touren im Inland oder an der Küste – ideal für mehrtägige Touren mit guter Erreichbarkeit von Deutschland.
Weniger bekannt und frequentiert ist der Schärengarten vor Västervik und Kalmar an der Südostküste – einer der schönsten in ganz Schweden. Besonders empfehlenswert ist eine Seekajaktour in den herrlichen Schärengarten des Misterhults-Naturreservats mit seinen zahlreichen Routen zwischen bewaldeten Inseln, felsigen Eilanden und Schären am äußeren Rand dieses aus rund 4000 Inseln bestehenden Archipels. Frühaufsteher werden hier außerdem mit einem unvergesslichen Sonnenaufgang belohnt.
Kombinierbar ist diese Reise mit einer Kajakexpedition auf dem Eman. Dieser Fluss entspringt im Hochland von Smaland und ist mit 200 Kilometern einer der längsten Flüsse Südschwedens. Ein immens abwechslungsreiches Paddelrevier, da man auf ihm Kanuwandern, Wildwasser und, nach seiner Mündung in die Ostsee, Seekajak-Touren kombinieren kann.
Auf der Weiterreise kommen wir zum Lake Asnen. Wasser, soweit das Auge reicht: Der Asnen ist ein etwa 160 Quadratkilometer großer See, der vor allem durch herrliche Natur und reiches Vogelleben beeindruckt. Anders als bei so vielen größeren Seen, gibt es hier hunderte Buchten und Inseln, die einem niemals das Gefühl geben, auf einer großen, eintönigen Wasserfläche unterwegs zu sein. Durchflossen wird der Asnen vom 120 Kilometer langen Flusssystem des Helgean/Mörrumsan, mit einer eigenen ausgebauten Kanuroute: dem Värendsleden. Somit sind sowohl Rundtouren auf dem See ohne großen logistischen Aufwand als auch eine Kombitour Fluss/See möglich.

Weiter auf der Westseite erreichen wir Dalsland und Värmland – die wohl bekanntesten Kanuwander-Reviere Schwedens. Hier gibt es eine gut ausgebaute Kanu-Infrastruktur mit Campgrounds, Sheltern, Feuerstellen und Trockentoiletten. Auch wenn in der Hauptsaison manchmal mehr los ist, gibt es trotzdem zahlreiche schöne Routen, die auch für Familien bestens geeignet sind.
Seekajak auf einem Binnensee? Das passt! Der Vänern ist nicht nur Schwedens größter See, sondern mit etwa 22.000 Inseln der größte Süßwasser-Schärengarten Europas, ausgestattet mit einer reichen Vogelwelt und einer faszinierenden Naturlandschaft mit deutlich maritimen Zügen.

Schwedens größter See: der Vänern.

Mittelschweden

Weiter geht es Richtung Norden. An Mittelschwedens Ostküste führt kein Paddlerweg am Stockholmer Schärengarten vorbei, dem wohl bekanntesten Seekajak-Revier des Landes. Eine Kajaktour lässt sich hier ideal mit etwas Kultur in der Landeshauptstadt verbinden. Oder man paddelt etwas einsamer links und rechts vom Zentrum Stockholms. Oder man zieht etwas weiter entlang der Ostküste in die Schärengärten der Höga Kusten (Hohe Küste) in der Provinz Västernorrland. Ein spektakuläres Seekajak-Revier, denn die Höga Kusten ist die höchste Küste der Welt und gehört sogar zum UNESCO Weltnaturerbe.
Zurück ins Inland auf die Westseite: Wilder und einsamer wird es in Dalarna. Im nördlichen Teil beginnt die Fjällregion, und viele Flüsse haben einen deutlichen Wildwasser-Anteil. Die Nähe zu Norwegen und dem bekannten Femundsee bietet spannende, abenteuerliche und grenzüberschreitende Kanutouren in wilder Einsamkeit.
Ein besonderer Tipp sind Rogen, Röä und Femund – mit Sicherheit eine der spektakulärsten Kanurouten, die Europa zu bieten hat: Niedrige Gebirgszüge und blockige Moränenrücken charakterisieren die Landschaft. Neben unzähligen Fischen und Vögeln treiben sich hier auch Biber, Elche, Rentiere, Vielfraße, Bären, Luchse und sogar Moschusochsen herum. Eine herausfordernde Mehrtagestour mit Expeditionscharakter.

Lappland

Wir kommen immer weiter nördlich. Die Flüsse werden größer, der Wildwasser-Anteil steigt. Die Bevölkerungsdichte und die Größe der Orte nehmen hingegen ab.
Dann sind wir bald im einsamen Paddelparadies Lappland. Hier ist vieles noch größer und wilder. Die Flüsse sind zum Teil gewaltig, herrlich einsam und spannend. Gewaltige Stromschnellen wechseln sich mit ruhigen, idyllischen Passagen ab. Ein wahres Paradies für mehrtägige Touren mit Canadier, Kajak oder dem Packraft. Die Herausforderungen sind oft etwas höher, und der Expeditionscharakter nimmt zu.
Eine Reise wert ist sicher der Kalixälven. Der Kalix entspringt im schwedischen Gebirge und ist mit 450 Kilometern der längste naturbelassene Fluss Schwedens. Mit sehr abwechslungsreichen Passagen von Wildwasser bis zu ausgedehnten Seepassagen bietet er alles, was zu einer gelungenen Kanuexpedition dazugehört.
Außerdem gibt es da noch den Storforsen – Europas größte natürliche Stromschnelle am Fluss Piteälv. Insgesamt ist sie über fünf Kilometer lang – auf den letzten 600 Metern steigert sich das Gefälle noch einmal enorm. Hier geht es über 50 Höhenmeter herunter – einfach spektakulär. Nicht selbst paddeln – aber ansehen und staunen!

Reiseinfo: Schweden

Schweden ist groß und hat eine Landfläche von rund 450.000 Quadratkilometern bei einer Länge von 1574 Kilometern. Von der Südspitze in Skane bis zu den arktischen Regionen in Norrland gibt es zahlreiche unterschiedliche Landschaftsformen und einen enormen Gewässerreichtum.

Jedermannsrecht: Eine auch im Grundgesetz festgelegte Regel (»allemansrätt«) erlaubt zahlreiche freie Naturaktivitäten wie beispielsweise Baden, Bootfahren, Beeren pflücken und sogar die Übernachtung in der Natur. Wichtig ist ein verantwortungsvoller Umgang mit diesem Recht, das es auch den Paddlern leichter macht, eine Tour erfolgreich zu planen und durchzuführen.

Mitternachtssonne: faszinierend und ungewohnt. Beginnend im Juni mit der Mittsommernacht wird es lange Zeit nicht mehr dunkel. Nachts findet man dann oft sehr schöne Lichtverhältnisse vor.

Angeln: Die vielen Gewässer Schwedens haben oft ausgezeichnete Fischbestände. Angelkarten sind zumeist deutlich günstiger als in Deutschland und unbürokratisch zu bekommen. Gerade vom Kanu aus (im Optimalfall ein Angelkajak) bestehen gute Chancen auf ein kulinarisches Update zur normalen Tourverpflegung.

Anreise: Für die Anfahrt mit dem Auto gibt es diverse gute Fährverbindungen – ideal für Reisen nach Südschweden. Wenn man keine Fähre nutzen möchte, gibt es eine Autostrecke, die über mehrere Brücken nach Schweden führt. Von Deutschland geht es über die Storebælt-Brücke nach Dänemark. Die Brücke ist gebührenpflichtig (der Preis variiert je nach Fahrzeugtyp und Uhrzeit). Um von Dänemark nach Schweden zu gelangen, nutzt man die Öresundbrücke. Diese verbindet die dänische Hauptstadt Kopenhagen mit Malmö in Südschweden und ist ebenfalls gebührenpflichtig. Mit dem Flugzeug: Mit Stockholm, Göteborg und Malmö sind die drei größten schwedischen Metropolen gut über ihre internationalen Flughäfen Stockholm-Arlanda, Stockholm-Skavsta, Göteborg-Landvetter und Kopenhagen-Kastrup (für Malmö) zu erreichen.

Organisierte Paddelreisen: Viele der beschriebenen Destinationen finden sich im Angebot von WasserFest, www.wasserfest.net.

Weitere Infos: https://visitsweden.de/