Unterwegs mit dem Hausboot auf der Unteren Havel in Brandenburg: Morgens aufwachen und schon da sein. Mitten in der Natur, am Einstieg zur bevorstehenden Paddeltour. Und zwar nicht in einem Schlafsack, mit einer Baumwurzel, die einem durch die Isomatte in den Rücken drückt. Sondern in einem richtigen Bett mit richtiger Bettwäsche. Beim Blick durchs Fenster fällt der Blick auf den Schilf-streifen am Ufer, über dem noch etwas Morgendunst liegt. Davor steht ein Graureiher im Wasser, unbeweglich wie eine Statue. Raus aus den Federn, durch den Wohnbereich auf die Terrasse des Hausboots schlendern und die frische Morgenluft in die Lungen saugen. Danach Kaffee machen. Und zwar keine lösliche Plörre aus dem Blechbecher, sondern schmackhaftes Koffein aus der Maschine. Frühstück am Tisch, Zähneputzen mit fließendem Wasser – alles Komfort, den ein Hausboot bietet, auch wenn man sich mitten in der Natur befindet.
Der nächste Luxus: Boots-Schleppereien zum Einstieg entfallen garantiert. Unser Kajak liegt quer auf der hinteren Terrasse des Hausboots, und von dort aus lassen wir es ins Wasser. Eine kleine Leiter erleichtert das Einsteigen. Und schon befinden wir uns auf dem spiegelglatten Wasser einer Ausbuchtung der Havel, gebildet vom Festland und der Insel Lutze, etwa fünf Kilometer nördlich des Brandenburger Ortsteils Plaue. Dort wiederum liegt die Station des Hausboot-Anbieters BunBo, an der wir am Tag zuvor unser schwimmendes Zuhause entgegen genommen haben. Danach sind wir einem Tipp des BunBo-Teams gefolgt, sind gemächlich mit etwa fünf Knoten hierher getuckert (einen Geschwindigkeitsrausch bekommt an Bord eines Hausboots niemand), haben Anker gesetzt und unsere erste Nacht auf dem Wasser verbracht.
Nun tunken die Paddel ins Havelwasser und schieben unser Schifflein vorwärts. Leise, ganz leise, als sei jedes Platschen eine Ruhestörung. Einmal bricht ein Habicht geräuschvoll aus einer Baumkrone, krächzt unwillig und sorgt für eine kurze Schrecksekunde. Danach wieder Stille. Eine kleine Runde um die Bucht, dann hinaus auf die Havel. Rechterhand ragen Holzstangen aus dem Wasser, die sichtbaren Teile der Anlage eines Berufsfischers. Wir wenden uns nordwärts, auf einer breiten Wasserfläche vorbei an Wald und Feld und spärlicher Uferbebauung. Auf der Höhe vom »Treibgut Abenteuer Wildzelten & Floßcamping« und dem direkt folgenden Treckower Havelstrand verengt sich der Fluss kurz, wird dann aber gleich wieder breiter. Rund zwei Kilometer später macht die Havel zwischen den Orten Kützkow am linken und Pritzerbe am rechten Ufer einen Knick nach links. In der Kurve könnte man auch nach rechts abbiegen und einer schmalen Verbindung in den Pritzerber See folgen, unter einer Eisenbahn- und einer Straßenbrücke hindurch. Machen wir aber nicht, wir bleiben dem Fluss treu, den bald wieder grüne Stille umgibt – und das Naturschutzgebiet »Untere Havel Süd«. Etwa 60 Meter ist der Fluss hier meist breit, bildet immer wieder Inseln und Halbinseln. Nach rund anderthalb Kilometern erreichen wir eine Stelle, an der die Havel sich gabelt. Links geht es geradeaus weiter auf der Bundeswasserstraße zur Schleuse Bahnitz – wenn wir gerade auf dem Hausboot unterwegs wären, müssten wir diesen Weg einschlagen, denn die Abzweigung nach rechts ist für Hausboote tabu.
Für Kajaks allerdings nicht, also biegen wir nach rechts ab und erreichen bald die Kahnschleuse Bahnitz, die neben einem großen Wehr liegt. Wenn wir dem U folgen wollen, das der rechte Havelarm hier bis zu seiner »Wiedervereinigung« mit dem Hauptarm beschreibt, stehen wir vor der Qual der Wahl: entweder die Schleusentore per Hand bedienen – ein Unterfangen, das uns als recht mühsam beschrieben wurde. Oder umtragen – in unserem Fall vermutlich die leichtere Alternative, da unser scubi 2 kaum etwas wiegt und wir sämtliches Gepäck außer ein paar Stullen und etwas Wasser auf dem Hausboot lassen konnten. Gesagt, getan – danach folgen wir der Flussbiegung vorbei an Uferbewuchs und Feldern. Ein Eisvogel fliegt am Ufer entlang wie ein blauer Diamant. Weiter noch bis zum Dorf Bahnitz, dann entscheiden wir: Kehrt marsch! Keine Lust auf die große Schleuse Bahnitz, also nehmen wir wieder das U, auch wenn’s etwa anderthalb Kilometer weiter ist. Ansonsten möchten wir jetzt schnurstracks zurück zum Hausboot. Kajak fahren können wir noch jede Menge in unserem Leben. Aber eine schwimmende Wohnung, die haben wir nicht so oft.
Komfort auf dem Wasser
Genauer gesagt, nennt sich unser schwimmendes Zuhause BunBo 1200E und ist das neueste Modell in der Hausboot-Flotte der Aquare Charter GmbH. Angetrieben wird es mit Elektro-/Solarantrieb, im Gegensatz zu den älteren, dieselbetriebenen Modellen. Das ist aber auch schon der wichtigste Unterschied, denn ansonsten überwiegen bei den Hausbooten der BunBo-Flotte die Gemeinsamkeiten. Sie alle funktionieren im Prinzip wie ein Katamaran: zwei schmale Schwimmkörper, darauf eine Plattform, auf dieser das Haus. Und sie alle verfügen über den gleichen Komfort, um nicht zu sagen Verwöhnfaktor: ein bis zwei Schlafzimmer, eine voll ausgestattete Küche mit Kühlschrank und Gasherd, ein Wohnbereich mit Esstisch und Sofa sowie ein Bad mit Waschbecken, Dusche und heißem Wasser. Durch die Eingangstür gelangt man auf eine geräumige Terrasse mit Sitzgelegenheit, dem Steuerstand und einer Feuerschale, die auch als Grill dient.
Apropos steuern: Jedes Hausboot ist mit einem Tablet ausgestattet, auf dem der Fahrer den Kurs des Bootes verfolgen kann. Außerdem versorgt ihn ein Display am Steuerstand mit Infos über die Wassertiefe unter dem Hauboot und den aktuellen Ladezustand der Batterien. Moderne Technik also, die aber nichts daran ändert, dass wir es hier nicht mit einem wendigen Sportboot zu tun haben, sondern mit einem eher wenig agilen Doppelrumpfboot. Dementsprechend träge gehorcht das marine Wohnmobil den Steuerkommandos: Es reagiert langsam auf das Einschlagen des Steuerrads und neigt dann dazu, die eingeschlagene Richtungskorrektur länger auszuführen, als man das eigentlich möchte. Daran muss man sich anfangs etwas gewöhnen und fährt ein Weilchen Schlangenlinen. Aber keine Bange, alles kein Hexenwerk, nach der Einweisung durch das BunBo-Team hat man den Bogen schnell raus – auch wenn beispielsweise die Einfahrt in eine schmale Schleuse ein bisschen an das Einparken in eine enge Parklücke erinnert.
Auch ans richtige Ankern geht man beim ersten Mal mit etwas Respekt heran – um dann festzustellen, dass es eine ziemlich leichte Übung ist: Mittels Senkblei und Tiefenmesser eine Stelle mit passender Tiefe ansteuern, die gleichzeitig genügend Abstand zum Schilf hat. Dort den vorderen Ankerpfahl hinablassen, das Hausboot in die gewünschte Richtung drehen und mit dem hinteren Ankerpfahl fixieren. Danach Füße hoch und auf den Abend freuen.
Abendstimmung
Oder noch eine kleine Paddelrunde einschieben. Diesmal geht es vorbei an einer Stelle mit dichtem Wald. Die Abendsonne tunkt die Szene in ein goldenes Licht. Kiefernduft strömt uns in die Nase. Aus dem Wald ein heiseres Bellen, vermutlich ein Fuchs. Nach kurzer Zeit sehen wir ein anderes Hausboot am Ufer und fragen dessen Bewohner auf Zeit, ob sie ein Foto von uns machen können. Eine ganze Familie genießt den Aufenthalt an Bord, drei Generationen, Großeltern, Eltern und ein Baby. Seit einer knappen Woche lägen sie schon hier, erzählt die Mutter, sie wollten eigentlich bloß die Ruhe genießen und im Wald Pilze sammeln. »Eigentlich kann ich keine Pilze mehr sehen«, sagt ihr Mann, lacht dabei aber gut gelaunt und schnippelt weiter mit dem Schälmesser am Fund des Tages herum.
»Na dann, guten Appetit«, antworten wir und nehmen Kurs auf unser eigenes Hausboot. Wir haben selbst Hunger. An Bord raus aus den Paddelklamotten und unter die heiße Dusche. Bald danach glühen die Kohlen in der Feuerschale auf der Terrasse, und zwei Ribeye-Steaks sehen auf dem Rost ihrem baldigen Ende entgegen. Neben den Paddeln und Schwimmwesten wartet ein Fläschchen Wein. Und als sich die Dunkelheit über Wasser, Wald und unseren Ankerplatz senkt, fragen wir uns, warum wir nicht viel früher an die Kombination aus Hausboot und Paddeln gedacht haben. Schließlich gibt es kaum etwas Naheliegenderes, als mit einem komfortablen Hausboot über ruhige Gewässer zu schippern. Nach Lust und Laune liegenzubleiben, wo es einem gefällt. Und zwischendurch ins Kajak zu steigen.
Zusatzinfo: Charterschein und Einweisung
Zum Fahren eines Hausboots ist kein Boots-Führerschein notwendig. Ein Charterschein reicht – und den kann man für kleines Geld ablegen: Eine Buchung des Charterscheins vor Törnbeginn kostet 40,- Euro, eine Buchung vor Ort 60,- Euro. Die Grundkenntnisse werden dann im Rahmen des Check-in in einem kurzen Multiple-Choice-Test geprüft. Der ist alles andere als eine Wissenschaft, und doch kann es nichts schaden, sich das nötige Wissen vorab zu Gemüte zu führen: https://bunbo.de/fileadmin/Dateiablage/PDF/Charterscheinunterlagen.pdf.
Im Anschluss daran erhält man eine praktische Einweisung von etwa zwei bis drei Stunden Dauer in »sein« Hausboot: Ein Mitglied des BunBo-Teams erklärt Küche und Badezimmer, Antrieb und Energieversorgung, den Steuerstand und das dazugehörige Tablet. Anschließend begleitet er den frischgebackenen Hausbootfahrer auf einer kurzen Einweisungsfahrt, demonstriert das Fahren, Manövrieren und Ankern. Danach entlässt er den Freizeitkapitän in sein Abenteuer.
Videos zum praktischen Umgang mit dem Hausboot: http://bunbo.de/hilfe/Einweisung/
Reiseinfo
Die BunBo-Flotte: Mit mehr als 150 Hausbooten an fünf Standorten in Brandenburg ist die Aquare Charter GmbH mit ihrer Marke BunBo Marktführer in diesem Segment. Die Hausboote werden selbst entwickelt und in eigener Werft gebaut, alle Standorte mit Häfen und Steganlagen in Eigenregie betrieben. Zur Auswahl stehen neun verschiedene Bootstypen, die allesamt vier bis sechs Schlafplätze und ein großes Sonnen-Vordeck als Terrasse haben sowie mit Küche, Kühlschrank, Dusche, WC und Heizung, Hängematte und Feuerschale/Grill ausgestattet sind. Die umfangreiche Flotte bietet vielfältige Varianten, einschließlich ganzjährig nutzbarer Boote mit urigem Kaminofen und optional herunterrollbaren Wintergärten, speziell behindertengerecht ausgestatteter Boote und klimafreundlicher Modelle wie dem Elektro-BunBo 1200E. Übersicht über die verschiedenen Hausboot-Typen: bunbo.de/hausboote
Die BunBo-Stationen und Reviere:
• Brandenburg/Plaue mit Unterer Havel sowie den Brandenburger Seen bis nach Potsdam und Berlin (im letzteren Fall nur mit entsprechendem Führerschein!).
• Lychen mit Mecklenburger Seenplatte, Fürstenberg/Havel, Neustrelitz und Rheinsberg.
• Lindow mit den Ruppiner Gewässern im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land.
• Zernsdorf im Osten Berlins mit den Dahme-Seen zwischen Berlin und Spreewald bis zum Scharmützelsee.
• Havelberg mit den Gewässern des Elb-Havel-Winkels und dem Hohennauener See.
Weitere Infos zu Standorten und Revieren: bunbo.de/standorte
Geeignete Boote: In unserem Fall hatten wir zwei Kajaks dabei. Ein Festboot vom Typ Liquidlogic Saluda 12, 366 Zentimeter lang und somit kurz genug, um es auf der vorderen Terrasse zu lagern – und trotzdem noch genug Platz für Feuerschale, Sitzgelegenheit und Steuerstand zu haben. Und ein 455 Zentimeter langes Zweier-Hybridboot vom Typ nortik scubi 2, das wir quer auf der schmalen Plattform im Heck des Hausboots mitführten – und das gerade so nicht überstand. Wer unbedingt sein 550-Zentimeter-Seekajak mitführen möchte, muss eben beim Schleusen und beim »Einparken« am Steg an den Überstand denken. Das BunBo-Team rät davon ab, Kajaks oder Canadier während der Fahrt hinter dem Hausboot herzuziehen, da es sich bei Brems- oder anderen Manövern unter das Hausboot schieben und dort verkeilen könnte – wobei Schwimmkörper und Kanu beschädigt werden können. Übrigens, für alle, die kein eigenes Paddelboot mitbringen möchten: BunBo bietet einen Kajakverleih.
Beste Reisezeit: schwer zu sagen – Hochsommer und Hochsaison bieten das verlässlichste Wetter und die badefreundlichsten Wassertemperaturen. Allerdings ist um diese Zeit nach Auskunft des BunBo-Teams auch einiges los auf den Gewässern, nicht zuletzt durch die Hausboote selbst. Gut möglich also, dass die erhoffte Ruhe ein bisschen gestört wird. Ruhiger ist’s im Frühling und frühen Herbst – und die Natur dann mindestens genauso schön. Aber baden, in der Sonne und im Wasser? Geht vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Preise: Das kleinste BunBo-Hausboot, das BunBo1000 mit 18 Quadratmeter Wohnfläche und zwölf Quadratmeter Terrasse, kann man ab 340,- Euro pro Wochenende mieten. Ebenso die etwas größeren Modelle 1000 L und 990. Am oberen Ende der Preisskala rangiert das neue Elektro-/Solarboot 1200 E mit Mietkosten ab 570,- Euro pro Wochenende (28 Quadratmeter Wohnfläche, 16 Quadratmeter Terrasse).
Infos & Buchung: Aquare Charter GmbH, Große Mühlenstraße 24f, 14774 Brandenburg/Plaue, Tel: (+49) 03381/8 90 46-0, E-Mail: info@bunbo.de, www.BunBo.de
Das Elektro-Hausboot
In Zeiten des Klimawandels hat die Aquare Charter GmbH neben benzinbetriebenen Hausbooten auch solche mit Elektro-/Solarantrieb in ihre Flotte aufgenommen. Neuestes Modell: das Elektro-Hausboot BunBo 1200E, angetrieben und mit Energie versorgt durch Photovoltaik-Paneele auf dem Dach. Dieses Modell bietet wie die meisten anderen »BunBos« vier plus zwei Schlafplätze: zwei getrennte Schlafkojen mit jeweils einem Doppelbett von 140 x 200 Zentimetern und im Wohnzimmer eine ausklappbare Schlafcouch mit einer Liegefläche von 140 x 195 Zentimetern. Das alles wurde mit modernen, langlebigen Materialien gebaut und wird von einem hocheffizienten und flüsterleisen Elektromotor angetrieben.
• Bootslänge: 12,30 m
• Bootsbreite: 4,70 m
• Bootshöhe oberhalb der Wasserlinie: 3,10 m
• Wohnbereich: 28 qm
• Küche: 3-flammiger Gasherd, Geschirrspüler, großes Spülbecken, elektrischer Kühlschrank mit Gefrierfach, integriertes Abfalltrennsystem, Kaffeekapselmaschine, Milchaufschäumer sowie ausreichend Stellplatz in Schränken und Ablagen.
• Reichweite: ohne zusätzliche Sonneneinstrahlung im reinen Batteriebetrieb in etwa 35 bis 40 Kilometer, bei Sonnenschein und Marschfahrt theoretisch unbegrenzt, versorgt mit 100 Prozent Solarenergie.
• jeweils 800l-Tanks für Frisch- und Abwasser
• neu entwickelter Steuerstand: umfangreiche Anzeigen und Displays zum Strom- und Energiestatus, Wasserverbrauchsanzeige, Tiefenmesser, Display für die Rückfahrkamera.