Europa

Stille Wasser

Der Rio Mondego

Der Mondego führt heute wenig Wasser. Gleich zu Beginn fahren wir uns einmal auf dem Kiesgrund fest, doch dann lässt uns der Fluss ungehindert passieren. Immer gewährt das Wasser Durchblick bis zum Grund – und auf ein Neunauge, das dort seinen Neunaugen-Geschäften nachgeht. Ein urtümlicher, aalähnlicher Fisch. Nein, streng genommen gar kein Fisch, sondern ein lebendes Fossil, das sich seit 500 Millionen Jahren kaum verändert hat. Manche Neunaugen-Arten haben eine gruselige Art, sich den Bauch vollzuschlagen: Mit ihrem runden Maul voller Hornzähne saugen sie sich an Fischen fest, trinken ihr Blut und raspeln Fleischstücke heraus. Substanzen in ihrem Speichel hemmen die Blutgerinnung der Beutetiere – Forscher in der Medizin versuchen, diese Stoffe zu nutzen, um Blutgerinnsel aufzulösen. Größere Fische können eine solche Attacke überleben. Kleinere meist nicht. Wir sehen heute noch mehrere dieser urtümlichen Viecher. Dabei stehen alle Neunaugen-Arten auf der Roten Liste vom Aussterben bedrohter Tiere.

Zwischendurch rütteln uns ein paar Stromschnellen ein bisschen durch. Nichts Schwieriges, mehr Erfrischung als Nervenkitzel. Auch heute ragen immer wieder Flächen mit verbrannten Bäumen über dem Fluss auf. Auch bei ihnen sprießt am Boden neues Leben. Manchmal kreisen Schwarzmilane über dem Fluss und krächzen ihre heiseren Schreie in den makellos blauen Himmel. Ein etwa bussardgroßer Raubvogel, der Feuchtgebiete und Wasserflächen liebt und bei der Zusammenstellung seines Speiseplans bis hin zum Aas nicht wählerisch ist – was ihm zu einem riesigen Verbreitungsgebiet rund um den Globus und einem Status als ungefährdete Art verholfen hat.Unterwegs klebt die Ortschaft Fez do Caneiro an einem Hang über dem Fluss. Sie sieht so malerisch aus, dass man sich unwillkürlich fragt, wie es wohl wäre, hier zu leben. Dann rufen einem die alten Holzboote, die früher zur Flussüberquerung genutzt wurden, in Erinnerung, dass das Leben auch im zentralen Portugal kein Zuckerschlecken ist. Aber heute schon. Die Tour endet an einem breiten Kiesstrand, und dahinter wartet die Fluvial Bar mit ein paar kühlen Bierchen und einer Fleischplatte auf uns, die selbst hungrige Paddlermägen nicht verdrücken können.

Tour-Info

Der Fluss: Der Mondego ist mit 234 Kilometern der längste rein portugiesische Fluss. Seine Quelle liegt auf 1425 Metern Höhe in der Serra da Estrela. Bei Figueira da Foz mündet er in den Atlantik.

Startpunkt: Penacova

Endpunkt: Praia Fluvial dos Palheiros e Zorro (Ortschaft Casal da Misarela)

Länge: 9 Kilometer

Dauer: ca. 4 Stunden (mit Pausen)

Umtragestellen: keine

Schwierigkeitsgrad: einsteigertauglich

Preis: 15,- Euro pro Person (ggf. plus Essen und Ausrüstungsverleih)

Mindestteilnehmerzahl: 8 Personen

Anbieter: Transserrano, www.transserrano.com

Rio Vouga

Mannchmal ist es hier so still, dass man zu träumen anfängt. Und vergisst, wo man ist. Dann holt einen eine Bootsbewegung oder das Krächzen eines Raubvogels in die Wirklichkeit zurück. Erst vor ein paar Minuten sind wir am Fluss angekommen, haben sein Glitzern im Sonnenlicht bewundert und uns über das klare Wasser gefreut, das den Blick freigibt auf den kieseligen Grund.

Am Anfang unserer Tour ist der Fluss flach. Ein paar Stromschnellen lassen einen Hauch Wildwassergefühl aufkommen. Nichts Dramatisches. Später ändert der Vouga sein anfangs spritziges Temperament und wird älter. Was für einen Fluss heißt: breiter und ruhiger. Und tiefgründiger, so dass wir den Grund meist nicht mehr sehen können. Doch der kieselige Grund lässt sich zwischendurch immer mal wieder blicken und erinnert den Fluss daran, dass er noch jung ist und weit entfernt von seiner Mündung und seinem Ende im Atlantik.

Manchmal wird rechts oben die Straße sichtbar, von der man aber sonst nichts mitbekommt, weil kaum ein Auto auf ihr unterwegs ist. Das Tal rückt mit seinen Berghängen stellenweise dicht an den Fluss heran, präsentiert sich zwischendurch aber immer wieder weitläufiger. An den Hängen sind manchmal Flächen mit verbrannten Bäumen zu sehen – Spuren der verheerenden Waldbrände, die Portugal im vergangenen Jahr heimgesucht haben. Doch überall in diesen Brandwüsten keimt neues Leben: Die Stämme und Kronen der Bäume sind tot, doch ihre Wurzeln haben überlebt – und aus ihnen sprießt am Fuß des verkohlten Stammes frisches Grün wie ein Versprechen, dass die Natur unbesiegbar ist.

Der Fluss führt viel Wasser heute. An seinem Rand stehen Büsche und Bäume im kühlen Nass. Sehr zur Freude von Guide Pedro: »Ein gutes Zeichen, dass der Wasserstand so hoch ist. Sonst kann es hier im Sommer manchmal so flach werden, dass man nicht mehr paddeln kann.« Umgekehrt kann es allerdings auch gehen: Heftige Regenfälle lassen den Rio Vouga in nullkommanichts anschwellen, so dass der Charakter der Tour durchaus wetterabhängig ist.

Heute jedenfalls tauchen unsere Paddel überall in ausreichend tiefes Wasser, während wir dem Konzert der Natur lauschen: Frösche quaken, manchmal lässt ein Windstoß ein Gebüsch rascheln, Raubvögel krächzen, als wollten sie gegen unsere Anwesenheit protestieren. Kurz vor Schluss unterbricht eine Umtragestelle die meditative Stille – und bereitet uns schonend darauf vor, dass wir gleich unter dem Beton einer Autobahnbrücke unsere Boote verlassen und in die Zivilisation zurückkehren werden. Kein Problem, als Trost wartet im »Café do estaçao« im verschlafenen Nest Sernada do Vouga ein starker Espresso auf uns, der Tote wecken könnte. Und gegen den Hunger eine »pastel de bacalhau«, ein paniertes Klippfischbällchen. Sieht ziemlich unscheinbar aus, ist aber extrem lecker und für nur 70 Cent zu haben. Zwei oder drei gehen also auch. »Café do estaçao« heißt zu deutsch »Bahnhofskaffee«, doch das scheint irgendwie geprahlt. Das Café ist winzig, und der staubige Bahnhof sieht aus, als sei hier seit hundert Jahren kein Zug mehr gefahren.

Tour-Info

Der Fluss: Der Rio Vouga entspringt in der Serra Lapa auf einer Höhe von 864 Metern. Bis zu seiner Mündung in den Atlantik hat er 148 Kilometer vor sich, auf denen er die Region Centro von Ost nach West durchquert.

Startpunkt:  Pessegueiro do Vouga

Endpunkt: Sernada do Vouga

Länge: 12 Kilometer

Dauer: ca. 4 Stunden (mit Pausen)

Umtragestellen: eine

Schwierigkeitsgrad: einsteigertauglich

Preis:  20,– Euro pro Person (ggf. plus Essen und Ausrüstungsverleih)

Mindestteilnehmerzahl: 8 Personen

Anbieter: Transserrano, www.transserrano.com

Rio Zêzere und Rio Tejo

Die heutige Tour startet knapp unterhalb eines gigantischen Bauwerks. Die Talsperre namens »Barragem de Castelo do Bode« staut einen riesigen, weit verzweigten See auf. Sogar die Hauptstadt Lissabon deckt mit diesem Staudamm einen Teil ihres Bedarfs an Strom und Wasser. Unterhalb davon ist der Wasserstand des Flüsschens Zêzere davon abhängig, wie großzügig der Staudamm mit ihm ist. Heute ist er eher knauserig, und so führt der Zêzere nur wenig Wasser. So wenig, dass wir anfangs ein paar Mal aussteigen müssen, um die Boote über den Kiesgrund zu ziehen. Später kommt das nicht mehr vor, das Wasser ist aber immer noch meist flach und plätschert kristallklar über den Kiesgrund. Manchmal unterbrechen ein paar Stromschnellen die Stille, aber im weiteren Verlauf ist das Wasser über lange Passagen tief und ruhig und die Strömung stark genug, dass wir das Paddeln einstellen und den Fluss die Arbeit machen lassen.

Ein Reiher begleitet uns eine ganze Weile. Wenn wir uns ihm nähern, breitet er seine Schwingen aus, fliegt ein paar hundert Meter weiter und setzt sich wieder ans Ufer. Dieses Spiel wiederholt sich einige Male und über mehrere Kilometer, bis der Reiher endgültig die Schnauze voll von uns hat und sich vom Acker macht. Auch heute kreisen immer wieder Schwarzmilane über uns und suchen aus luftiger Höhe nach Nahrung.

Nach ein paar Kilometern mündet leider der Rio Nabão in den Zêzere und trübt sein Wasser. »Früher war das mal einer der am stärksten verschmutzten Flüsse Portugals«, meint Guide Pedro, der dem Nabão offensichtlich wenig Zuneigung entgegen bringt. Der Zêzere braucht ein, zwei Kilometer, um sich davon zu erholen, doch dann wird das Wasser wieder durchsichtiger. Und bietet seinen Bewohnern offenbar eine gesunde Lebensgrundlage, denn nun flüchten immer wieder Fische vor unseren Kajaks. Flussbarben, Graskarpfen und Forellenbarsche, es müssen Hunderte sein. Schwärme, die wie von Geisterhand dirigiert blitzartig Reißaus nehmen – aber nur, um sich in kurzer Entfernung wieder zu sammeln und leicht mit den Flossen fächelnd gegen die Strömung zu stellen.

Auch hier wartet der Zêzere immer wieder mit ein paar Stromschnellen auf. Durch eine davon will Guide Pedro gar nicht erst durch, da er sie mit größeren Gruppen meidet und es daneben eine gemütlichere Alternative gibt. Doch heute lässt er sich erweichen, und so erfreuen wir uns an ein paar Metern Wildwassergefühl – das später in einem »rapido« (so nennen die Portugiesen die Stromschnellen) direkt unter einer Autobahnbrücke nochmal gesteigert wird. Ein paar Paddelkenntnisse sind hier schon nützlich …

Nachdem wir uns neun Kilometer lang mit ihm angefreundet haben, mündet der Zêzere in den Rio Tejo – was den Charakter der Tour sofort und grundlegend ändert. Wir verlassen ein kleines, manchmal sprudelndes Flüsschen und biegen rechts ab in einen breiten, majestätischen Strom, an dessen ausufernder Mündung rund 150 Kilometer weiter Portugals Hauptstadt Lissabon liegt. Ein solcher Fluss plätschert nicht und sprudelt nicht und hat auch keine »rapidos«. Also geht es noch drei Kilometer gemächlich dahin, bis am Endpunkt unserer Tour das »Castelo do Almoural« trutzig und Respekt einflößend über den Fluss wacht.

Tour-Info

Die Flüsse: Der Rio Zêzere entspringt auf etwa 1900 Metern Höhe in der Serra da Estrela, nährt unterwegs drei Stauseen und mündet nach etwa 200 Kilometern in den Rio Tejo. Der wiederum ist mit 1007 Kilometern der längste Fluss der iberischen Halbinsel. Der Tejo entspringt im Osten Spaniens in der Provinz Teruel und mündet bei Lissabon in den Atlantik.

Startpunkt: unterhalb des Staudamms bei Castelo do Bode

Endpunkt: Castelo do Almoural bei der Ortschaft Tancos

Länge: 9 km Kilometer Zêzere, 3 km Tejo

Dauer: ca. 4-5 Std. (mit Pausen), je nach Wasserstand auf dem Zêzere

Umtragestellen: keine

Schwierigkeitsgrad: einsteigertauglich

Preis: 20,- Euro pro Person (ggf. plus Essen und Ausrüstungsverleih)

Mindestteilnehmerzahl: 10 Personen

Anbieter: Transserrano, www.transserrano.com

Reiseinfo: Paddeln in Portugal

Anreise: Tja, zugegeben – hier liegt ein kleiner Haken. Für die Anreise mit dem Auto ist Portugal zu weit. Die Mitnahme des eigenen Festboots ist also schwierig. Bleiben zwei Optionen: Erstens, mit dem Flugzeug anreisen und ein Faltboot oder Packraft mitnehmen. Zweitens, auf das eigene Boot verzichten, vor Ort eines mieten oder an geführten Touren teilnehmen (siehe Bootsverleih). Der Weg ins Centro de Portugal und zu den geschilderten Flüssen führt über den Flughafen Lissabon. Weiter geht es am besten mit dem Mietwagen.

Bootsverleih: KANU empfiehlt die Teilnahme an geführten Touren, da die Guides über Wasserstände, Wetterkapriolen und andere Unwägbarkeiten bestens informiert sind – die Bedingungen auf den geschilderten Flüssen können sich nämlich schnell ändern. Allerdings bedeutet dies ebenso wie der individuelle Bootsverleih in Portugal ein Sit-on-top-Kajak. Sicher nicht die erste Wahl, aber für alle hier beschriebenen Touren völlig ausreichend. Anbieter siehe bei den einzelnen Touren.

Unterkunft: Unter anderem eignen sich folgende Hotels als Ausgangspunkt für die beschriebenen Touren: 

Lousa/Centro de Portugal: 
Palácio da Lousa, https://palaciodalousa.com

Abrantes/Centro de Portugal: Luna Hotel Turismo, www.lunahoteis.com/luna-abrantes/o-hotel.html (in beiden Fällen Transfer zum Fluss mit Transserrano, 
www.transserrano.com)

Weitere Infos: Associação Turismo do Algarve, www.algarvepromotion.pt, 
www.visitalgarve.pt; Centro de Portugal, 
www.centerofportugal.com

Noch mehr Portugal gefällig? IN KANU 4/2018 geht es auch um das Paddeln auf dem Meer vor der Algarve. Nachbestellen kann man die Ausgabe hier: https://shop.interabo.de/kanumagazin/category/einzelhefte.html