Europa Reise

Die grüne Insel

Genießertouren im Nordwesten von Irland: grüne Wiesen, steile Klippen, langgezogene Sandstrände. Und natürlich in jedem Dorf mindestens ein Pub (Text: Carolin Zimmermann-König).

Carolin Zimmermann-König

Zugegeben, Irland ist nicht immer sonnig. Ideal zum Paddeln ist es trotzdem. Im Kajak mit Spritzdecke machen einem durchziehende Regenschauer nichts aus. Im Gegenteil, man möchte gar nicht mehr aussteigen, da es im Kajak, ausgerüstet mit Regenjacke und Spritzdecke, so kuschelig und trocken ist! Und: Zehn Minuten später kann wieder strahlender Sonnenschein herrschen und zum Baden einladen.
Mit einem Dagger Stratos und einem Scubi 1 sind wir gestartet, um einsame Buchten im Nordwesten Irlands zu erkunden. Sind von Westport aus in die Clew Bay gepaddelt, an den Stränden von Bundoran, mit seinen langgezogenen Wellen der Top-Surferspot im Norden Irlands, auf kilometerlangern Sandstränden die Wasserberge runtergesurft, durch die Teelin Bucht südöstlich von Slieve League und schließlich entlang der Maghera Strands westlich von Ardara getourt.
Ganz oben im Norden, in der Grafschaft Donegal, sind die Iren besonders nett, hilfsbereit und gesprächig. Eine Antwort auf die Frage »how are you doing?« führt garantiert zu einem längerem Gespräch, bei dem man Interessantes über Land und Leute erfährt. Dort zeigt sich Irland so, wie wir es erwarten: sattgrüne Wiesen, steile Klippen, grasende Schafe, Steinmauern, vereinzelte Dörfer und in jedem Dorf mindestens ein Pub. Irland ist mit knapp über 70.000 Quadratkilometern in etwa so groß wie Bayern, hat aber nur knapp fünf Millionen Einwohner. Donegal grenzt im Osten an Nordirland, wobei derzeit das Passieren der Grenzen keine Probleme bereitet. Man nimmt es in der Regel nicht einmal wahr, ob man sich gerade innerhalb oder außerhalb der EU befindet.

Clew Bay

Ein Stück südlicher liegt Westport im County Mayo mit gerade einmal 7000 Einwohnern. Ein beschauliches Städtchen mit netten Straßen, Cafés, kleinen Boutiquen, Läden und Pubs, Westport House inklusive weitläufigem Park, Campingplatz, zentral gelegener Jugendherberge oder diversen Hotels. Ein idealer Einstiegspunkt zum Paddeln. Im Hafen Westports gibt es entweder eine Rampe nahe des Eingangs zum Park des Westport House oder eine weit draußen am Pier, die man nutzen kann, um die Kajaks ins Wasser zu lassen. Für den geringen Tiefgang der Kajaks ist zum Glück selbst bei Ebbe genügend Wasser vorhanden, auch wenn nebenan Kielboote im Schlamm liegen. In Richtung Westen, mit traumhaftem Blick auf Croagh Patrick, dem heiligen Berg der Iren, paddelt man in die Clew Bay. Der Legende nach beinhaltet die Bucht 365 Inseln, eine für jeden Tag. Offiziellen Zählungen zufolge sind es jedoch nur 117: die meisten unbewohnt, teilweise mit weißen Sandstränden, teilweise mit steil abfallenden Klippen, grünen Wiesen, dunklem Fels, Kolonien von Möwen und Seevögeln.

Theoretisch könnte man bis nach Clare Island paddeln, oder aber nur neun Kilometer bis Murrsik. Dort beginnt der Pilgerweg auf Croagh Patrick, den 764 Meter hohen heiligen Berg, den so gut wie jeder Ire mindestens einmal in seinem Leben besteigt. Von oben hat man einen traumhaften Blick auf die Clew Bay, der Anstieg hat es allerdings in sich. Los geht es als gemütlicher Wanderweg, wird zunehmend zu einem schmalen Pfad, schließlich im wahrsten Sinne des Wortes zum steinernen »Stairway to heaven«, geprägt von Geröllfeldern. Und das alles, um dann möglicherweise auf einem oft von Nebel umhüllten Gipfel zu stehen!

Bundoran und Teelin

140 Kilometer nördlich von Westport liegt Bundoran, der wichtigste Surf- beziehungsweise Wellenreitspot im Norden der Republik Irland. Ein komplett anderes Flair: Es gibt zwischen Felsen eingezwängte Strände im Ort, eine großzügige Strandpromenade, Hotels aller Kategorien, Achterbahn und Riesenrad, Trailerparks, einen Golfplatz direkt am Meer und eine lebendige Surferszene. Das Highlight des Ortes ist sicherlich Tullan Strand. Ein kilometerlanger Sandstrand mit sich weit draußen brechenden Wellen, die ideal zum Wellenreiten sind. Mit den Kajaks kann man dort wunderbar in den Wellen spielen, sie hinuntergleiten und sich an den Strand zurücktreiben lassen – mal was anderes als Buchten auspaddeln

Die Campingplätze im Ort sind leider nicht einladend, aber um so netter sind die Stellplätze direkt oberhalb des Tullan Strands, an denen man eine Nacht geduldet wird, von Mai bis September sogar mit netter Cappuccino- und Snackbar nebenan.
Von Bundoran ist es ein Katzensprung bis zum nächsten Bucht-Highlight in Donegal: Teelin. Die Fahrt führt über Donegal mit seinem Castle aus dem 15.Jahrhundert und Killybegs, dem großen Fischereihafen. Dort liegt Irlands größte Fischfangflotte, und auch eine graumelierte Robbe fühlt sich zwischen den riesigen Trawlern und Fischkuttern für Makrelen und Heringsfang wohl.
Kein Wunder, dass sich das Kultpub einige Kilometer weiter in Teelin »The Rusty Mackerel« nennt. Es wurde lange von einem Deutschen geführt, ist aber zwischenzeitlich wieder in irischer Hand und lockt mit ausgezeichnetem Essen und fast jedem Abend mit Livemusik. Von dort sind es rund zwei Kilometer zur Anlegestelle der Teelin Bay.

Diese liebliche Bucht ist bei Flut vom Kajak aus ein Traum! Blick auf die von Heidekraut bewachsenen Slieve League Berge, sanft geschwungene grüne Hügel, verstreute Gehöfte und Häuser, Buchten mit unberührtem feinstem Sandstrand. Die Paddeltour vom Pier der Teelin Bay nach Norden führt vorbei an Sandstränden, bewaldeten Hängen und unterspülten Wiesen. Sie endet spätestens am Glen River, der südlich von Carrick in die Bucht mündet. Wer genug vom Paddeln hat, kann wunderbar zu Fuß vom Visitor Center aus die Straße zum Aussichtspunkt der 601 Meter steil abfallenden Klippen entlangspazieren, den höchsten in ganz Irland. Über den One Man Pfad gelangt man auf den Pilgerweg und zurück zum Ausgangspunkt. Seit 2021 gibt es einen wunderbaren Campingplatz direkt neben dem Visitor Center, er soll weiter ausgebaut werden. Abgesehen davon lässt es sich in der Gegend aber auch in der Rusty Mackerel oder dem Slieve League Lodge nächtigen.

Ardara

Noch ein kleines Stück weiter im Norden liegt Ardara mit dem Maghera-Strand. Am besten lassen sich die Boote neben dem blauen Wrack einsetzen. Man erreicht es über eine kleine Straße, die kurz vor dem von den Ruderern genutzen See Lough Shanagan abzweigt. An dieser Stelle ist Anfang 2022 der Film »God’s Creatures« gedreht worden, unter anderem mit der britischen Schauspielerin Emma Watson.

Einmal auf dem Wasser, paddelt man um oder auch über Austernbänke, sieht die Austern teilweise sogar am Meeresgrund, wird von Austernfischern begleitet und bewegt sich aus der Ferne auf den bereits sichtbaren Assaranca-Wasserfall zu. Zwischen im Wasser stehenden Grasnarben kann man sich dem Wasserfall bis auf wenige Meter nähern, ein Stück weiter westlich gegebenenfalls anlanden und das Ganze noch einmal zu Fuß erkunden. Paddeln sollte man in der Maghera-Bucht bei Flut, die Maghera-Höhlen am südwestlichen Ende der Bucht kann man allerdings nur bei Ebbe besichtigen. Überall warnen Schilder vor gefährlicher Strömung in diesem Bereich. Zum Einkehren nach der Paddeltour ist in Ardara Nancy’s Bar zu empfehlen, ein uriges Pub mit gutem Essen, oder nebenan das Café im Courthouse mit ausgezeichneten Kuchen. Fazit: Wir waren begeistert von der Vielfalt und Schönheit der Buchten im Norden Irlands. Wer hierher kommt, sollte ein Kajak auf dem Autodach mitnehmen. Oder eben ein Faltboot im Kofferraum. Naturgenuss verspricht beides. Und das bei jedem Wetter.

Kasten
Ein- und Ausstiegsstellen
· Westport Hafen: zum Beispiel an der Rampe vor dem Tor zum Westport House Park am The Quay in der Nähe des Westport Coast Hotels.
· Bundoran: zum Beispiel am Tallin-Strand am nordwestlichen Ende des Ortes.
· Slieve League/Teelin Bucht: zum Beispiel an der Rampe am Ende der Straße Teelin Pier
· Ardara/Maghera Strand: zum Beispiel neben dem blauen Wrack südwestlich des Shanaghan Lough Rudersees (von Ardara in Richtung Luacharos Halbinsel, zweite Straße links) oder an der Straße zum Assaranca-Wasserfall (starke Strömung am Ende der Bucht in Richtung Meer!).

Reiseinfo

Anreise: mit dem Flugzeug von Deutschland nach Dublin, beispielsweise mit AirLingus oder Lufthansa. Flugdauer etwa zwei bis drei Stunden. Mit dem Auto über die Fähre von Cherbourg (Normandie, Frankreich) nach Dublin in etwa 19 Stunden oder über Calais-Dover (Fähre, Tunnel) nach England, dann mit der Fähre von Holyhad (Wales) nach Dublin in etwa 3,5 Stunden. Von Dublin sind es rund 250 Kilometer bis Westport beziehungsweise Donegal.

Unterkünfte:
· B&Bs zum Beispiel über www.bedandbreakfast.eu
· Camping zum Beispiel über www.park4night.com/listpays/2/ireland oder www.camping.info/de
· Westport: Campingplatz beziehungsweise Hotel unter www.westporthouse.ie, Jugendherberge unter www.anoige.ie/old-mill-hostel
· Bundoran, Teelin: Unterkünfte und Camping unter www.discoverbundoran.com, günstig zum Beispiel www.bundoransurfco.com/welcome-to-bundoran-surf-mobile/. Slieve League Campingplatz, www.sliabhliagcamping.ie. Zimmer: www.therustymackerel.com, www.slieveleaguelodge.com.
· Ardara: Auswahl unter www.ardara.ie/ oder beispielsweise www.robinsnest-bedandbreakfast.business.site

Kajaktouren: www.seakayakingdonegal.com