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Für einen freien Fluss

Jedes Kilowatt zählt? Nein! Unter dieser Prämisse haben Paddler am Samstag, 15. Juli, für eine frei fließende Salzach und gegen neue Wasserkraftwerke demonstriert.

Stefan Schmidt, Georg Heiss

Seit zwölf Jahren demonstrieren Paddler und Naturschutzverbände geschlossen gegen einen Ausbau der Salzach mit Kraftwerken. Es ist der einzige Voralpenfluss in Bayern, der sich noch auf rund 60 Kilometern frei entfalten darf. Aber wie lange noch? Das hinterfragten die Demonstranten auch in diesem Jahr. Radio BR I sprach bereits in seinen 16-Uhr-Nachrichten von 200 Teilnehmern.
Sah es in der Vergangenheit eigentlich schon so aus, als würde die Bayerische Staatsregierung vom (völlig überflüssigen) Bau eines zusätzlichen Wasserkraftwerks an der Salzach Abstand nehmen, hat diese nun die inzwischen praktisch überwundenen Versorgungsprobleme fossiler Energieträger aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu einer »Rolle rückwärts« genutzt – und die rund 100 Jahre alten Planungen mit bis zu vier (!) neuen Wasserkraftwerken wieder aus den Schubladen geholt – inklusive geplant zweistelliger Millionen-Subventionen aus Bayern für das österreichische Wasserkraft-Unternehmen »Verbund«

Widerstand

Dagegen wehren sich der Bayerische Kanu-Verband und ein Aktionsbündnis aus allen großen Umweltorganisationen. Der Energiebedarf sei allen klar, sagen die Organisatoren, ließe sich aber relativ einfach und naturschonend durch vergleichsweise wenige Windkraftanlagen decken. Wasserkraftwerke dagegen würden den Fluss und seine Auen als Lebensraum einer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt unwiederbringlich zerstören.
Die unermüdliche Karin Fraundorfer, die die Demo für eine frei fließende Salzach seit Jahren maßgeblich organisiert, wurde dafür sowie für ihr Engagement für die Salzach von Erich Prechtl (Aktionsgemeinschaft Lebendige Salzach, ALS) mit einem Natur-Salzachkiesel in Herzform geehrt.

Gefahren für den Fischbestand

»Für eine frei fließende Salzach«, diesem Motto hatten sich alle Redner verschrieben, unter ihnen Burghausens Bürgermeister Florian Schneider, der versicherte, dass man den Kampf gegen Wasserkraftwerke in der unteren Salzach nicht aufgeben würde. »Das angeblich ökologisch harmlose Kraftwerk würde das Ende für eine naturnahe Weiterentwicklung der Salzach bedeuten – mit dem Segen der Staatsregierung«, mahnte Richard Mergner, der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern.
Axel Bartelt, neuer Präsident des Landesfischereiverbandes Bayern (früherer Spitzenbeamter in der Staatskanzlei und später Regierungspräsident der Oberpfalz), warnte vor den Gefahren für den Fischbestand: »Wenn es so weitergeht, dann werden wir unsere bayerischen Fischarten in der Salzach nicht mehr finden!« Äsche, Nase und Huchen kämen hier noch vor, benötigten aber kühle Fließgewässerstrecken, die in anderen Flüssen immer seltener bzw. durch den Rückstau von Kraftwerken komplett verschwinden würden.
Unterstützung erhielt er unter anderem von Helmut Beran, dem Geschäftsführer des Landesbundes für Vogelschutz (LBV).

Ausverkauf verhindern

Im Beisein von BKV-Präsident Oliver Bungers und der neuen Vizepräsidentin Freizeitsport Dr. Jutta Müller-Derlich sprach Dr. Stefan Schmidt (Ressortleiter Umwelt und Gewässer) für den Bayerischen Kanu-Verband. Er erklärte, warum es sich lohne, weiter um den Erhalt der freifließenden Salzach zu kämpfen: »Dieser Fluss hat ein großes Potenzial, zumindest im Unterlauf wieder ein dynamischer, naturbelassener Fluss zu werden.« Um so bedauerlicher sei es, wenn die Wasserkraft-Lobby zusammen mit der Staatsregierung unter dem falschen Motto »Jedes Kilowatt zählt« ihre alten Pläne zur Zerstörung auch der letzten fünf Prozent der in Bayern noch verbliebenen Fließwasserstrecken wieder aus der Schublade holt. »Dass diese hundertprozentige Zerstörung unserer letzten Fließgewässerstrecken für die Stromerzeugung aus regenerativen Quellen praktisch nichts bringen würde, kann schon jeder Grundschüler über einfachen Dreisatz ausrechnen, reichen die bisher zu 95 Prozent genutzten Wasserkraftpotentiale Bayerns doch gerade einmal für 14 Prozent Wasserkraft-Anteil an der Stromerzeugung!«

»Totalen Ausverkauf unserer letzten Fließgewässer-Strecken verhindern«: Dr. Stefan Schmidt, Ressortleiter Umwelt und Gewässer beim Bayerischen Kanu-Verband.

Wind und Sonne

Schmidt sprach sich dafür aus, den verschleppten Ausbau der Windkraft in Bayern zu forcieren und diese durch Photovoltaik auf allen Dächern und Speichertechnik zu ergänzen. »Wir müssen totalen Ausverkauf unserer letzten Fließgewässerstrecken verhindern – indem wir unseren Flüssen mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung durch die Gesellschaft verschaffen und mehr Menschen davon überzeugen, dass frei fließende Flüsse sehr viel mehr Wert sind als ein paar Kilowatt zusätzlicher Strom aus Wasserkraft! Fangen wir also hier an der Salzach an, nicht noch ein weiteres, letztes Kleinod unserer Natur völlig sinnlos unserem Energiekonsum zu opfern!« plädierte er.
MdL Gisela Sengl (Bündnis 90/Die Grünen) sprach mit ihrem Wunsch, »dass wir uns im nächsten Jahr hier zum letzten Mal treffen und dann das Ende der Planungen feiern können«, vermutlich allen Anwesenden aus dem Herzen: Schließlich gehen die Demonstranten bereits seit Jahren mit dieser Hoffnung nach Hause – bisher jedoch leider vergebens.
Und so werden sich die teilnehmenden Organisationen auch 2024 wieder in Burghausen einfinden, um (wie alle Sprecher versicherten) »weiter für eine frei fließende Salzach zu kämpfen, solange es dafür auch nur die kleinste Chance gibt!«