Szene

Im Parakanu an die Weltspitze

Ein vermeintlicher Routineeingriff führte bei Katharina Bauernschmidt zu einer Querschnittslähmung. Die frühere Leistungsschwimmerin suchte eine neue Sportart und fand sie beim WSV Duisburg Niederrhein. Ihre nächsten großen Ziele sind die Heim-WM und die Paralympics in Paris (Text: Denis de Haas).

Florian Schwarzbach

Para-Kanutin Katharina Bauernschmidt sitzt am Ufer des Barbarasees in Duisburg und beobachtet, wie Kanus an ihr vorbeizeihen. Die querschnittsgelähmte Sportlerin bereitet sich auf eine Trainingseinheit vor. Ihr Va’a liegt bereits im Wasser. Katharina fährt mit ihrem Rollstuhl zu dem Kanu mit Ausleger. Ihr Freund Florian Schwarzbach hilft ihr beim Einstieg. Dann greift sie zum Stechpaddel und stößt sich ab. »Ich muss mich doch für die ganzen großen Wettkämpfe in Form bringen«, ruft sie noch – und nimmt Fahrt auf.
Die 32-jährige hat in ihrer Karriere schon an großen Rennen teilgenommen. 2021 startete sie bei den Paralympics in Tokio über 200 Meter und landete auf Platz sechs. Zudem stehen zwei fünfte Plätze bei Weltmeisterschaften in ihrer Vita – 2018 im portugiesischen Montemor-o-Velho und 2019 im ungarischen Szeged. Und dann war da noch die Silbermedaille bei der Europameisterschaft, die sie 2021 in Posen erreichte.

Routine-OP – mit tragischen Folgen

Im kommenden Jahr ist die Anfahrt zum Großereignis kurz: Dann geht es auf Katharinas Heimstrecke um die Medaillen. Duisburg richtet 2023 die Kanu-Weltmeisterschaft aus. Vor den Augen ihrer Freunde eine gute Platzierung zu erreichen, das ist ihr großes Ziel.
Katharina hat das Training mittlerweile beendet. Am Klubhaus des WSV Duisburg Niederrhein erzählt sie nun ihre Geschichte. In ihrer Jugend war sie noch Leistungsschwimmerin. Im Alter von 21 Jahren zog sich die gebürtige Hernerin dann eine Bandscheibenverletzung zu. Nach langem Hin und Her entschloss sie sich zu einer Rücken-Operation. Eigentlich ein Routineeingriff. Doch bei einer zweiten Operation traten Komplikationen auf – mit tragischen Folgen. »Ich bin als Fußgängerin ins Krankenhaus reingegangen und kam nach der Anschlussbehandlung als Rollstuhlfahrerin heraus«, beschreibt Katharina ihr Schicksal.
Es war ein tiefer Einschnitt im Leben der jungen Frau. »Ich hatte zunächst gar keine Lust mehr auf Sport, ich musste mich und meinen Alltag ja ganz neu organisieren«, erzählt Katharina. Doch bald spürte sie wieder das Kribbeln. Katharina suchte eine neue Disziplin, versuchte sich zunächst im Liege-Biken und dann Para-Schwimmen. Doch richtig glücklich war sie erst nach einem Probetraining beim WSV Duisburg Niederrhein.

Keine halben Sachen

2017 begann Katharina mit dem Parakanu-Rennsport. Es passte auf Anhieb. »Man hat die Natur um sich herum, und das ist wunderschön«, schwärmt sie. Der heutige Bundestrainer André Brendel erkannte das Talent der Sportlerin. Ein Jahr nach ihrem ersten Probetraining gehörte Katharina zum »Team Deutschland« und sicherte sich kurz darauf das Ticket für die Paralympics.
Nach Platz zwei im Halbfinale qualifizierte sich Bauernschmidt für den Endlauf. Dort war die erfahrene Britin Emma Wiggs eine Klasse für sich und gewann mit großem Vorsprung Gold. Aber der Bronzerang, den Jeanette Chippington aus Großbritannien belegte, war für die deutsche Starterin weniger als zwei Sekunden entfernt. »Ich war mit dem Ergebnis super zufrieden und habe mein Ziel erreicht«, sagt Katharina über die Paralympics.

Katharina Bauernschmidt macht keine halben Sachen. Das gilt für den Sport und für ihr Leben. Demnächst geplant: ein Sprung mit dem Fallschirm.

Vom Rennen auf dem Tokio Sea Forest Waterway existieren auch TV-Bilder. Das ist ungewöhnlich für Wettkämpfe im Parakanu. »Fernsehbilder von uns gibt es nur selten«, sagt Katharina. »Zwischen den Paralympics finden wir kaum statt.« Sie bedauert die mangelnde Wertschätzung für ihren Leistungssport. Für Katharina ist Parakanu schon lange kein Hobby mehr. Sie schuftet während der Saison an sechs Tagen in der Woche, ist zwei Mal täglich auf dem Wasser, dazu kommt eine Einheit im Kraftraum. Dazwischen streut sie immer wieder Dehn- und Stabilisationsübungen ein.
Katharina Bauernschmidt macht keine halben Sachen. Das gilt für den Sport und für ihr Leben. Auf Instagram präsentiert sie sich auf dem Motorrad oder beim Laufen mit einem Exoskelett, einer am Körper befestigten Stützhilfe. Demnächst plant sie einen Fallschirmsprung. Sie will damit Menschen Mut machen, die in ihrem Leben ebenfalls einen persönlichen Schicksalsschlag erleiden mussten. »Blickt nach vorne, egal wie schwer es auch sein mag!«, betont Katharina.
Die Duisburgerin setzt sich auch langfristige Ziele. Ein Jahr nach der Heim-WM auf der weltbekannten Regattabahn im Sportpark Wedau stehen wieder Paralympische Spiele im Kalender. Paris trägt im Jahr 2024 das Großereignis im Zeichen der fünf Ringe aus. Und natürlich möchte Katharina auf der Regattastrecke in Vaires-sur-Marne starten. »Für solche Highlights lohnt sich die ganze Quälerei.«

Duisburg: Nummer eins im Kanurennsport

Duisburg hat sich einen Namen als Sportstadt gemacht. Das gilt vor allem im Bereich Kanu. Deshalb vergibt der Internationale Kanu-Verband auch regelmäßig Großereignisse ins Ruhrgebiet. Bereits zum sechsten Mal geht es im Sommer 2023 auf der Regattabahn im Sportpark Wedau um WM-Medaillen. Damit ist Duisburg die Nummer eins im Kanurennsport. Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen, die serbische Hauptstadt Belgrad sowie Szeged in Ungarn folgen mit vier Austragungen.