Mit Indiens erster Kajakexpedition für Frauen begann für mich und meine Ganga-Girls eine atemberaubende Reise. Eine Reise, die meine Seele bewegte. Das Unternehmen war alles andere als ein Zuckerschlecken. Mit neun entschlossenen Kajakfahrerinnen an meiner Seite beschlossen wir, unser Abenteuer an einem schwierigen Abschnitt zu beginnen. Also fahren wir zum Bhagirathi und starteten unsere Expedition am Staudamm.
Monatelang hatten wir an unseren Fähigkeiten gefeilt. Für das Tawang Chu Festival waren wir bis in die entlegensten Winkel von Arunachal Pradesh gereist, wo jede von uns stolz auf dem Podium stand. Die Vorfreude wuchs, als sich drei Frauen aus dem Ausland unserem Team anschlossen.
Unsere Reise begann mit einer traditionellen Andacht – schließlich sollten sechs Mädchen am Koteshwar-Staudamm Geschichte schreiben. Erst bei einigen großen Stromschnellen wurde uns so richtig bewusst, dass noch nie zuvor eine Gruppe von Frauen diesen Flussabschnitt befahren hatte.
Aber die Ganga Girls sind eine Kraft, mit der man rechnen muss: ein Kollektiv von unbeugsamen Frauen, die inmitten des tosenden Flusses ihre Leidenschaft leben. Was uns auszeichnet, ist nicht nur unsere gemeinsame Liebe zum Paddeln, sondern auch die Vielfalt unserer Hintergründe und Erfahrungen. Vom Herzen der Stadt Rishikesh bis in die entlegensten Winkel der Welt kommen wir aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen und sind durch ein gemeinsames Ziel miteinander verbunden: unser eigenes Schicksal zu gestalten.
Einige von uns kämpfen gegen familiäre Widerstände. Andere tragen die Last großer Verantwortung auf ihren Schultern. Und wieder andere sind Mütter, die ein neues Kapitel aufschlagen. Es ist Ehrfurcht gebietend, zu sehen, welchen Mut und welche Entschlossenheit jede dieser Frauen verkörpert.
Rückblick auf Hindernisse
Das erste Camp sollte eine Herausforderung werden, da wir den Fluss überqueren und einen kleinen Hügel aus Felsen erklimmen mussten, um zu unserem Essen und unserer Unterkunft zu gelangen. Doch als wir schließlich zusammensaßen, sprachen wir darüber, wie weit unser Weg uns schon geführt hatte. Sheetal und Beena erzählten mit Tränen in den Augen, welch einen Durchbruch sie erlebten, nachdem sie an zwei Kajak-Wettbewerben teilgenommen und auf dem Podium gestanden hatten. Eine von ihnen vertrat Indien sogar bei den asiatischen Rafting-Meisterschaften. Und hier und jetzt erinnerten sie sich daran, welch mühsame Überzeugungsarbeit nötig war, um ihre Eltern davon zu überzeugen, sie überhaupt reisen zu lassen – was sie dann auch taten, zum ersten Mal außerhalb ihres Bundesstaates. Unter uns war auch Kashish, die zum ersten Mal auf einer Expedition war – und die doch genau wusste, dass sie noch viele Abenteuer auf dem Fluss erleben wollte. Eine erstaunliche Nacht, voller Emotionen und gemeinsamer Erfahrungen.
Eigene Entscheidungen
Als am nächsten Tag die Sonne aufging, meditierten wir am Ufer des Ganges. Danach bereiteten wir uns auf den zweiten Tag vor, der Aufregung und Angst versprach. Denn schon bald näherten wir uns einigen der heftigsten Stromschnellen unseres Abschnitts, darunter »The Wall« und »Dennel Dip rapid«. Aber während wir durch die Stromschnellen fuhren, wuchs in uns ein Gefühl der Stärke. Jede Entscheidung, die wir trafen, jedes überwundene Hindernis, stärkte unseren Glauben an uns selbst und unsere Fähigkeiten. Wir erreichten »The Wall« schnell und scouteten die Stelle. Einige Mädchen waren bereit durchzufahren, andere wollten lieber umtragen. In jedem Fall war es schön zu sehen, wie die Mädchen Entscheidungen für sich selbst trafen.
Nachdem wir Lager 2 erreicht und uns umgezogen hatten, freuten wir uns auf die von unserer Freundin Noemie geleiteten Yogastunden. Doch erst bei der Nachbesprechung am Abend wurde die wahre Tiefe unserer Verbindung deutlich. Wir saßen im Kreis und sprachen über unsere Triumphgefühle und Ängste gleichermaßen. Und als wir uns auf den letzten Tag vorbereiteten, mischte sich Vorfreude mit einem Hauch von Besorgnis, da wir wussten, dass uns die größten Stromschnellen erwarteten.
Ein festes Band
Der dritte Tag brachte uns bei Hochwasser an die Stromschnelle »Crossfire«, meiner Meinung nach die technischste des gesamten Abschnitts. Und eine Angst einflößende obendrein. Das Rapid beginnt mit einem spaßigen Wellenzug, schiebt dann aber gegen eine Felswand und formt ein pilzendes und rückläufiges Kehrwasser, in das man auf keinen Fall hinein geschoben werden möchte. Ziemlich nervenaufreibend, einige Mädchen in den großen Kesseln kämpfen zu sehen – und eine Erleichterung, als alle heil herauskamen. Die nächsten Stromschnellen waren ein Riesenspaß, besser als jede Achterbahn. Vor der letzten war etwas Planung nötig, wir legten eine Reihenfolge fest, und als ich die Gruppe hinein führte, hatte ich großes Vertrauen in sie. Wir sind zwar noch einmal geschwommen, aber wie die Mädchen sich zusammengerauft und aufeinander aufgepasst haben, war beeindruckend.
Als wir triumphierend und erschöpft am Ziel ankamen, umarmten wir uns und feierten nicht nur unsere Leistung, sondern auch das unzerstörbare Band, das uns verband. Und als wir auf das nächste Kapitel, Nari Nauka, blickten, taten wir dies mit Herzen voller Hoffnung und Träumen, die so grenzenlos waren wie der Fluss selbst.
Nari Nauka
Nach der Rückkehr von unserer Expedition waren wir bereit, eine weitere Herausforderung anzunehmen, von der keine von uns je geträumt hatte: Nari Nauka, ein Kurs für weibliche Raftguides, eine erstmalige Initiative in Indien. Das Projekt begann mit vielen Tagen voller Bürokratie, dem Ausfüllen von Formularen, der Erstellung von eidesstattlichen Erklärungen, der Koordinierung mit den Tourismusbehörden.
Aber schließlich war der Tag gekommen, an dem wir unsere Ausbilder aus Amerika treffen sollten. Die Mädchen waren nervös, aufgeregt und unsicher – bis wir Jeremy kennenlernten, die die Nari Nauka-Initiative ins Leben gerufen hatte. Für unsere Expedition am nächsten Tag erhielten wir Schwimmwesten, Sandalen, Kleidung und vieles mehr.
Nach der abendlichen Einführungsveranstaltung gingen wir alle zurück nach Hause, um zu packen. Danach eine etwas unruhige Nacht – und dann war der große Tag gekommen. Wir sollten uns um 7 Uhr im Red Chilli-Büro treffen. Ein Bus mit 20 Plätzen stand uns zur Verfügung, Teilnehmerinnen und Ausbilder waren bereit zur Abfahrt. Elisha, unsere ACA-Ausbilderin, informierte uns darüber, wie der Tag aussehen würde. Unser Ausgangspunkt war der heilige Ort Devprayag. Die Diskussionen und die Vorfreude nahmen kein Ende, und ich strahlte vor Freude, dass so viele Mädchen zusammenkamen und es geschafft hatten. Wir erreichten die Anlegestelle, luden die Ausrüstung vom Autodach und brachten sie zum Fluss. Hier lernten wir, wie man die Rafts aufbaut, aufpumpt und belädt – und überhaupt, wie man das ganze Chaos organisiert, bevor man endlich aufbrechen kann. Der Kurs wurde in drei Gruppen aufgeteilt, einige Mädchen mit Julie und Jeremy in Paddelrafts und zwei Mädchen im Ruderboot mit Elisha. Die erste Hälfte des Tages ging auf einem Flachwasser-Abschnitt vorüber, auf dem wir mit den Booten vertraut gemacht wurden. Nachdem wir das erste Camp, Byas Ghat, erreicht hatten, wurden uns kleine Aufgaben zugeteilt, nachdem wir unsere Zelte aufgebaut hatten. Einige Mädchen füllten Wassertanks, andere bauten Toilettenzelte auf, einige halfen beim Aufbau des Küchenzeltes usw.
Als die Sonne unterging, versammelten wir uns zur Nachbesprechung. Mit viel Einfühlungsvermögen sorgte Elisha dafür, dass es für alle Mädchen angenehm und lustig wurde – die meisten von ihnen waren noch schüchtern. Ich musste eine wichtige Rolle als Übersetzerin für die Mädchen spielen, die der englischen Sprache nicht mächtig waren. In dieser Sitzung wurde viel gelacht, es gab starke Emotionen, und die Verbindung zwischen uns wurde immer stärker.
Durch die Mauer – jetzt mit den Rafts
Der nächste Morgen begann mit Unterricht zur Flusshydrologie, geleitet von Julie und Elisha. Nach einem ausgiebigen Frühstück und dem Beladen der Flöße gab es dann eine Praxislektion, bei der Elisha die Paddelschläge vorführte, die wir dann nachmachten. Danach ging es los. Während wir paddelten, machte uns ein heftiger Wind das Leben schwer. Nach einer kurzen Mittagspause und einer weiteren Unterrichtseinheit zur Flusshydrologie setzten wir unsere Reise fort und paddelten zu unserem zweiten Campingplatz, der direkt oberhalb der Dennels Dip-Stromschnelle lag.
Die Abendsitzung begann mit anregenden Gesprächen über die globale Erwärmung – und unsere Rolle als Outdoor-Abenteurer bei deren Bekämpfung. Danach ging es um die Anforderungen für das Bestehen der ACA-Prüfung – was allen nochmal die Ernsthaftigkeit der bevorstehenden Herausforderungen deutlich machte.
Am dritten Tag stand der größte Paddelabschnitt auf dem Plan – und einige der Stromschnellen, die wir vor ein paar Tagen noch mit dem Kajak bewältigt hatten. Schließlich erreichten wir die größte Stromschnelle, »The Wall«, und erhielten eine Unterrichtseinheit über das Scouten, schmackhaft gemacht durch ein leckeres Mittagessen am Fluss. Bei der Fahrt durch den Rapid sollte ich das Ruderboot lenken und und mich hinter den beiden Paddelbooten halten. Als die Paddelrafts in die Stromschnelle einfuhren, war ich mir nicht sicher, ob das die Linie war, die ich fahren wollte. Es gab einige Ausfälle, und mein Herz schlug noch schneller, als ich mich dem ersten großen Drop näherte. Aber Elisha führte mich den ganzen Weg hindurch, und wir schafften es. Es war einfach unglaublich, die Magie zu erleben, wenn man all die Ganga-Mädchen sieht, die die größte Stromschnelle des Abschnitts bewältigen.
Wir aßen in Sirasu zu Mittag und fuhren dann in den kommerziellen Abschnitt. Da es schon spät am Tag war, begegneten uns nicht mehr so viele Rafts. Wir fuhren dann durch die nächsten großen Stromschnellen wie »Three Blind Mice«, »Roller Coaster«, »Crossfire« und die Chef-Stromschnelle, »The Golf Course«. Alle Mädchen waren nervös, doch sie alle wollten mal auf dem »Fahrersitz« Platz nehmen.
Test bestanden!
Als wir uns dem Ausstieg näherten, feierten wir das Ende unserer dreitägigen Expedition. Vielleicht etwas voreilig, denn die anspruchsvollsten Tage standen uns noch bevor. Zunächst ein Tagesausflug, bei dem wir früh von Tapovan aus starteten. An diesem Tag mussten die Mädchen alles selbst erledigen und zum Abschluss einen Test bestehen. Es war ermutigend zu sehen, wie sie sich gegenseitig motivierten.
Am nächsten Tag starteten wir von einer regulären Anlegestelle in Shivpuri, 16 Kilometer entfernt von der Ausstiegsstelle. Unser Tag auf dem Fluss begann mit dem Training von Rettungstechniken und allerhand Übungen – und endete mit einem anspruchsvollen Abschlusstest. Wir alle haben ihn bestanden, dank guter Koordination und Teamwork. Als wir die Ausstiegsstelle erreichten, konnten wir es kaum glauben, dass wir unseren Guide-Kurs beendet hatten und unsere Zertifikate von Indiens erster rein weiblicher Guide-Schulung erhalten würden.
Die Abendsitzung verlief voller Tränen und Emotionen – schließlich waren wir die erste Gruppe von ACA-zertifizierten Ganga Girls in Indien.
Die Schleusen sind offen
Hinter jeder großen Veränderung steht ein leidenschaftlicher Mensch mit einer Vision und der Überzeugung, dass er etwas bewirken kann. Entscheidende Unterstützung und Partnerschaft erhielt ich von dem lokalen Ausrüster Red Chilli Adventure, der meine Vision teilte. Gemeinsam mit der Unterstützung lokaler Guides, Kajakfahrer und dem Tourismusministerium von Uttarakhand haben wir den Weg für eine neue Ära auf dem Fluss geebnet.
Für mich ist es nicht nur ein Ziel, sondern eine Notwendigkeit, Frauen als Guides auf den Fluss zu bringen. Es gibt keinen Grund, warum das Führen von Rafts und Paddelexpeditionen ein von Männern dominierter Beruf sein sollte. Der Fluss ist ein Ort der Verbundenheit und Zugehörigkeit, und jeder, der seine Anziehungskraft spürt, sollte die Möglichkeit haben, als Guide zu arbeiten. Und doch kann es wichtig sein, dass Frauen von anderen Frauen unterrichtet werden. Geschlechtsspezifische Fähigkeiten und Ansätze spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg von Frauen bei Wildwasser-Abenteuern.
Die Auswirkungen unseres Projekts sind unbestreitbar: Sie bieten wirtschaftliche Möglichkeiten, eine Verbindung zur globalen Wildwasser-Gemeinschaft und eine einmalige Chance, die eigene Stärke zu erkennen und zu nutzen. Die Schleusen sind offen, und die Möglichkeiten sind endlos. Bei diesem Projekt geht es nicht nur um das Führen auf dem Fluss – es geht um Selbstbestimmung, Gemeinschaft und das unendliche Potenzial von Frauen auf dem Wasser.
Die Gründe, warum die Frauen am Nari Nauka-Kurs teilnahmen, waren so unterschiedlich wie ihre Hintergründe und Erfahrungen. Einige träumten davon, auf dem Fluss, den sie liebten, Karriere zu machen, während andere ihre Familien mit dieser neu entdeckten Möglichkeit unterstützen wollten. Für einige ging es darum, Teil einer Geschichte zu werden, für andere darum, selbst Geschichte zu schreiben.
In all den Jahren, in denen ich als Kursleiterin tätig bin, habe ich noch nie eine so engagierte und wissenshungrige Gruppe erlebt. Die Teilnehmerinnen gingen jeden Aspekt der Ausbildung mit Ausdauer und Beharrlichkeit an und saugten jede Lektion förmlich in sich hinein. Obwohl sie wussten, welche Herausforderungen vor ihnen lagen, stellten sie sich ihnen mit unerschütterlicher Überzeugung.
Die Rafting- und Kajakgemeinschaft in Indien war lange Zeit ausschließlich von Männern geprägt. Aber jetzt haben wir damit begonnen, diese Kluft zu überbrücken. Mit einem mutigen Schritt nach dem anderen.
Die Ganga Girls Expedition wurde unterstützt von der Team4Adventure Kajakschule, ShivShakti, Simplifly Sports und Spade Kayaks.
Die Nari Nauka-Expedition wurde von Red Chilli Adventures unterstützt.