Ausrüstung

Wilde Typen!

Wildwasser-Kajak ist nicht gleich Wildwasser-Kajak.
Creeker und Riverrunner, Spielboote, Long Boats und
Crossover-Kajaks bevölkern die sprudeligen Gewässer
dieser Welt. Aber welcher Bootstyp eignet sich für
welchen Zweck? Und für wen?

William Hauser/Pyranha

Auch wenn der Wildwasser-Kajaksport eine relativ kleine
Branche ist, kann die Anzahl unterschiedlicher Bootsdesigns
auf dem Markt gerade für Anfänger und unerfahrene Sportler
verwirrend sein. Nicht alle Wildwasserkajaks sind gleich
konstruiert, viele Boote haben besondere Stärken für
bestimmte Gewässertypen und unterscheiden sich deutlich in
Form, Fahreigenschaften und Verwendungszweck. Andere
Kajaks sind für Anfänger besser oder schlechter geeignet.
Daher ist es wichtig zu erkennen, welches Kajak das richtige
für dich ist. Es ist ähnlich wie beim Skifahren: mit breiten
Powder-Latten willst du keinen Slalomkurs bezwingen und mit
Tourenski bist du im Funpark am falschen Platz. Wenn du das
»richtige« Kajak für dein Können, deine Technik und deine
bevorzugten Gewässer findest, machst du bessere
Lernfortschritte, fühlst dich sicher aufgehoben und hast mehr
Spaß auf dem Wasser.

Creeker

Creeker sind so etwas wie die Geländewagen unter den Kajaks:
gemacht fürs Grobe! Das sieht man ihnen auch an: extrem viel
Rocker, extrem viel Volumen. Creeker sind meist zwischen 250
und 280 Zentimeter lang, ihr Volumen beginnt bei kleinen
Modellen bei rund 250 Litern und erreicht bis zu 350 Liter und
mehr. Im Vordergrund stehen Manövrierfähigkeit in schwerem
Wildwasser sowie absolut kontrollierbare und verlässliche
Fahreigenschaften. Hinzu kommen stabile und
sicherheitsunterstützende Einbauten (Prallplatten, Keile,
Materialschlaufen) und viel Sitzkomfort für stundenlanges
Paddeln (Expeditionen). Viel Rocker sorgt für leichtes und
kontrolliertes Auftauchen, geringe Steckgefahr, einfaches
Boofen und große Wendigkeit. Aufgrund der sehr
fehlerverzeihenden und sicheren Fahreigenschaften sind
Creeker auch bei Anfängern beliebt.

Beispiel Creeker: der Pyranha Storch X

Einsatzgebiet: Wildwasser aller Art, steile Flüsse,
Wuchtwasser, Wasserfälle, Expeditionen.

Geeignet für:
· Anfänger – schnelle Lernkurve, viel Sicherheit.
· Fortgeschrittene – macht schwieriges Wildwasser »leichter«.
· Experten – in einem Creeker können auch Profis noch ihre
Grenzen ausloten.

Vor- und Nachteile:
+ sicher
+ wendig
+ komfortabel
+ Stauraum für Gepäck & Ausrüstung
– relativ langsam
– vergleichsweise wenig Fahrspaß
– schwer

Riverrunner

Mit einem Riverrunner kannst du Wildwasser spielerisch,
spaßbetont und sportlich erleben. Neuerdings wird die
Kategorie der River Runner von sogenannten Half-Slice-Kajaks
dominiert, im Deutschen auch als »Heckschleudern« bekannt.
Ein Half-Slice-Kajak hat einen großvolumigen Bug, ähnlich wie
ein Creek-Boot, aber ein kleinvolumiges Heck, ähnlich wie ein
Spielboot. Diese Kombination bietet ein spielerisches Gefühl
und gleichzeitig eine robuste Leistung auf dem Wasser. HalfSlice-Boote sind in der Regel genauso lang wie Creek-Boote.
Sie haben scharfe Kanten, die es dir ermöglichen, genussvoll
durch die Strömung zu carven. Sie sind beliebt, weil sie auf
fast jedem Fluss Spaß machen und sportlich sind, aber auch in
schwierigen Stromschnellen eine gute Figur machen. Das
Volumen im vorderen Bereich hält den Bug über den Wellen,
während das niedrigvolumige »Slicey«-Heck ein schnelles
Drehen des Bootes und Tricks wie Unterschneiden ermöglicht.
Für viele Anfänger ist ein Half-Slice ein großartiges erstes
Kajak, da die schärferen Kanten eine gute Technik fördern,
während der großvolumige Bug und das längere Design genug
Stabilität bieten, um zu verhindern, dass man beim Lernen den
Spaß verliert. Eigentlich ein Boot für alles – außer extrem
schweres Wildwasser.

Beispiel Riverrunner: Lettmann Machete

Einsatzgebiet: offenes, nicht übermäßig steiles Wildwasser
bis WW IV (V), Wuchtwasser, tiefe Kehrwasser
(Unterschneiden!). Ideal für alle klassischen WW-Reviere
(Durance, Soca, Salza, Inn/Ötz, etc.).

Geeignet für:
· Anfänger – gute Paddeltechnik gleich von Anfang an.
· Fortgeschrittene – maximaler Paddelspaß und trotzdem Sicherheit auf WW.
· Experten – präzise Linien durch den Bach ziehen, viel Spaß auch auf einfacheren Flüssen.

Vor- und Nachteile:
+ unübertroffene Manövrierfähigkeit
+ Spaß auf jedem WW
+ gute Technikschulung
+ Allroundeigenschaften
+ vereint Spielpotential und WW-Fahreigenschaften
– heckempfindlich
– verringerte Sicherheitsreserven in schwerem WW
– verlangen die Bereitschaft, Neues zu Lernen

Spielboote

Spielboote sind in vielerlei Hinsicht so ziemlich das Gegenteil
eines Creekboats. Ihre Designs haben ein geringes Volumen,
sehr scharfe Kanten, wenig Rocker und sind richtig kurz.
Spielboote kommen in Stromschnellen schnell an ihre Grenzen,
ermöglichen aber Tricks in Wellen, Walzen, an Felsen und
Kehrwasserlinien. Freestyle-Kajaks sind die Wettkampf- und
High-Performance-Versionen von Spielbooten. Sie sind extrem
kurz (unter 190 Zentimeter) und sehen eher bauchig aus. Sie
sind für das Surfen auf Wellen oder Löchern konzipiert und
ermöglichen Big-Air-Tricks, die in »Playspots« oder bei
Wettbewerben beliebt sind. Der andere Spielbootstil wird als
»Slicey« oder »Full-Slice« bezeichnet und zeichnet sich durch
ein längeres Design mit einem schmalen, volumenarmen Bug
und Heck aus. Die längere Form ermöglicht einen besseren
Flusslauf, und das geringe Volumen an Bug und Heck
begünstigt Tricks wie Cartwheels, bei denen der Paddler das
Heck oder den Bug unter Wasser schneidet, um das Kajak
senkrecht aufzurichten. Slicey Playboats sind oft von Designs
aus den frühen 2000er Jahren inspiriert. Diese erfreuen sich in
letzter Zeit wieder steigender Beliebtheit – die Designs der
»alten Schule« ermöglichen einen lustigen und einzigartigen
Paddelstil. Für die meisten Paddler ist ein Playboat nicht gerade
die beste Wahl für ihr erstes Kajak, da deren Designs schwer
zu paddeln sind und es ihnen an Stabilität fehlt. Für einen
motivierten Anfänger, dem es nichts ausmacht, viele Male auf
die Nase zu fallen, wird das Lernen in einem Playboat
letztendlich die Technik verbessern und Gewohnheiten fördern,
die ihn langfristig zu einem stärkeren Paddler machen.
Einsatzgebiet: Wellen, Walzen, Leichtes Wildwasser,
Park’n’Play.

Beispiel Spielboote: Dagger Supernova

Einsatzgebiet: Wellen, Walzen, Leichtes Wildwasser,
Park’n’Play.

Geeignet für:
· Anfänger – aber nur, wenn sie sportlich ambitioniert und
lernwillig sind.
· Fortgeschrittene – die 3. Dimension beim Paddeln
kennenlernen.
· Experten – komplexe, schwere Freestylemoves lernen und
beherrschen.

Vor- und Nachteile:
+ Freestyle-Moves leichter lernen
+ einfaches Surfen
+ maximaler Spaß in Wellen und Walzen
+ extrem wendig
– langsam
– seitenwasserempfindlich (Kanten!)
– geringe WW-tauglichkeit
– häufig geringer Fußraum

Long Boats

Von dieser Kategorie gibt es nicht sonderlich viele Modelle am Markt, aber interessant sind sie durchaus. Entstanden sind diese Boote als WW-Rennkajaks für WW-Extrem-Rennen, wie z.B. das Green River Race. Diese Kajaks sind auf Speed getrimmt, müssen aber auch mit WW V klarkommen. Üblicherweise sind sie knapp 370 Zentimeter lang. Ihre Benutzer opfern die Manövrierfähigkeit kürzerer Creek-Boote für zusätzliche Geschwindigkeit. Die Extra-Länge bedeutet nicht, dass diese Boote nicht auch auf hartem Wildwasser gefahren werden können. Langboote bieten erfahrenen Paddlern ein ausgewogenes Boot, das auf schwierigem Wildwasser gut reagiert, und gleichzeitig die Gewissheit, dass sie die Geschwindigkeit erreichen können, um lange Abschnitte mit geringerem Gefälle oder flache Flüsse zu bewältigen.

Beispiel Long Boats: Pyranha 12R

Einsatzgebiet: Wildwasser aller Art, Rennen, Expeditionen, Gepäcktouren, lange Touren auf leichtem Wildwasser.

Geeignet für:
· Anfänger – ein Boot, das läuft!
· Fortgeschrittene – Gepäcktouren, Fitness, Kilometer sammeln.
· Experten – Expeditionen mit Gepäck, Bestzeit auf dem Green River Race.

Vor- und Nachteile:
+ schnell
+ spurtreu
+ hohe Zuladung
+ komfortabel
– Wenig wendig
– schwierig zu boofen
– schwer

Crossover-Kajaks

Crossover-Kajaks sind für lange, flache Paddelstrecken konzipiert, können aber auch im leichten WW II-III eingesetzt werden. Wenn du überwiegend flach paddeln möchtest, solltest du ein langes Boot mit einer langen Wasserlinie wählen, um die Geschwindigkeit hoch zu halten. Willst du eher leichtes WW mit Flachwasser-Abschnitten paddeln, dann wähle ein Boot mit mehr Rocker und weniger Länge für bessere Wendigkeit und Manövrierbarkeit. Crossover-Boote haben oft Luken zum Verstauen der Ausrüstung und herunterklappbare Skegs, um das Boot in einer geraden Linie zu halten. Sie sind ideal für Paddler, die ein komfortables, vertrauenerweckendes Kajak für lange Tage auf dem Wasser mit längeren flachen Flussabschnitten suchen.

Beispiel Crossover-Kajaks: Prijon Munga

Einsatzgebiet: leichtes WW II-III, Flach- und Zahmwasser, lange Touren mit leichtem Gepäck.

Geeignet für:
· Anfänger – ganz einfach zu paddeln (Skeg, große Luke, kippstabil).
Fortgeschrittene & Experten – WW-Gepäcktouren möglich.

Vor- und Nachteile:
+ einfach zu paddeln
+ variabel einsetzbar
– nur bis WW III einsetzbar
– kaum Fahrspaß

Fazit: Der erste Schritt bei der Wahl eines Kajaks besteht darin, die eigenen Ziele beim Wildwasserfahren zu bestimmen. Bist du ein Paddler, der das ganze Jahr über fünf Tage in der Woche auf dem Fluss unterwegs sein möchte, wirst du ein ganz anderes Boot suchen als jemand, der nur ein oder zwei Mal im Monat auf dem Fluss unterwegs sein will. Möchtest du ständig an deiner Technik feilen oder lieber in einem verlässlichen Boot sitzen, dass sich immer gleich sicher anfühlt? Wo paddelst du am liebsten, und welche Gewässer sind in deiner Nähe? Auch das spielt eine Rolle bei der Entscheidung, welcher Kajaktyp am besten zu dir passt. Vor der Wahl deines Kajaks gibt es viele Fragen und viele Antworten. So gesehen ist es natürlich großartig, dass es so viele unterschiedlich Kajak-Designs gibt – eines davon passt bestimmt zu dir!

30 aktuelle Wildwasserkajaks präsentieren wir im nächsten KANU Magazin, erhältlich ab Freitag, 2. Dezember.