Ausrüstung Einzeltests

Im freien Fall

Der Pyranha Scorch setzt bei den Wildwasser-Kajaks Maßstäbe. Extrempaddler Bren Orton hat das Boot mit auf eine Expedition nach Kenia genommen – und es an den dortigen Wasserfällen lieben gelernt.

David Sodomka

Der Pyranha Scorch auf Reise nach Kenia: Affen sprangen von den Bäumen. Tausende von unsichtbaren Tieren zirpten, riefen und kreischten aus dem dichten Dschungel, der die Schlucht säumte. Und der Medium Scorch flog den Fluss hinunter. Die Entscheidung, welches Kajak ich auf die Reise nach Kenia mitnehmen sollte, war mir schwer gefallen, aber als ich über Löcher sprang, in Wasserfälle stürzte und in die letzten Strudel peitschte, wurde ich nicht enttäuscht. Der Scorch hat mich an jedem Tag dieser Reise von Ohr zu Ohr grinsen lassen.
Das Design dieses Boots ist eine Quintessenz all dessen, was Pyranha in den letzten 50 Jahren bei der Herstellung von Wildwasser-Kajaks an Erfahrung gesammelt hat – eine raffinierte Mischung aus erprobten, getesteten und bewährten Konstruktionstechniken, die zusammengeführt wurden, um das meiner Meinung nach derzeit beste Flusskajak zu schaffen.

Vorausschauend
Das Rocker-Profil ermöglicht es, hoch und trocken auf dem Fluss zu fahren. Das ist großartig, um stylische Linien zu fahren, aber es kommt auch bei ersten Abfahrten zum Tragen, weil man einfach weit nach vorne auf den Fluss schauen kann und sieht, was hinter der nächsten Kurve kommt, ohne sich allzu viele Gedanken darüber zu machen, was direkt vor einem ist. Wenn man bei anderen Kajakdesigns weit vorausschaut, kann man leicht von kleinen Wellen und Diagonalen herumgeschubst werden, auf die man sich nicht konzentriert, aber der Scorch bleibt einfach auf der Linie. Das war in Kenia sehr wichtig, da wir mehrere Flüsse befahren haben, die noch nie zuvor befahren worden waren. Es gab zwangsläufig einige Überraschungsmomente, in denen ich meinen Plan schnell ändern musste. Zum Glück erlaubte mir die Wendigkeit des Scorch, in letzter Minute Korrekturen vorzunehmen, mich zu drehen, die Spur zu wechseln und in letzter Sekunde einen späten Boof zu machen, um das nächste Loch zu überwinden und den Fluss weiter zu befahren.

Nase hoch!
Ich war auf dieser Reise immer wieder beeindruckt, wie einfach es ist, die Bootsnase hochzukriegen und eine anspruchsvolle Boof-Linie zu treffen. Und ich war erstaunt, wie dieses Kajak springt. Ein dreistufiger Einstieg in einen zehn Meter hohen Wasserfall, der einen doppelten Drop mit einem klobigen zweiten Loch aufweist, machte mich bei der ersten Abfahrt ein wenig nervös, aber ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Der Scorch flog buchstäblich über den zweiten Wasserfall, und ich musste kichern wie ein kleines Kind, bevor ich mich wieder auf den kommenden Zehn-Meter-Wasserfall konzentrieren konnte.
 
Flug und Landung
Ein großer Teil des Spaßes beim Kajakfahren kommt bei mir aus dem Herunterfliegen von Wasserfällen. Wenn ich mich auf ein neues Design einlasse, bin ich immer nervös, wie es sich im freien Fall verhalten wird – denn die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, ist, über die Kante zu fahren und es auszuprobieren. Am zweiten Tag unserer Reise haben wir einen 18 Meter hohen Wasserfall überquert, der erste größere Wasserfall, den ich mit dem Scorch bezwungen habe. Ich brauche mehr Zeit an großen Wasserfällen, um ihn wirklich zu testen und das Design in der Luft und bei der Landung zu verstehen, aber mein erster Eindruck ist, dass es wirklich gut funktioniert. Der Übergang in den freien Fall war bei diesem Wasserfall schwierig zu bewältigen, und ich musste zwei Schläge machen, um mich in der Luft anzupassen, bevor ich zur Landung ansetzte. Der Aufprall unten war so sanft, wie man es bei der Landung am Fuße eines Wasserfalls nur haben kann. Obwohl es zu viele Variablen gibt, um das allein dem Design des Scorch zuzuschreiben, macht es mich gespannt auf die nächsten Wasserfälle in diesem Kajak.

Trockene Lines, knackige Kurven
Das Beste, was wir meiner Meinung nach auf dieser Erkundungsreise nach Kenia gemacht haben, war die Erschließung eines Flussabschnitts am oberen Niamindi. Was als fünfstündige erste Befahrung begann, endete als 40minütiger Bombenabschnitt und als fester Favorit der Crew, den wir immer wieder befuhren, wenn wir nicht gerade auf Erkundungstour unterwegs waren. Hier habe ich mich wirklich in das Scorch-Design verliebt, das Boot lässt sich einfach wunderbar den Fluss hinunter fahren. Es gab mir Zugang zu wirklich befriedigenden, trockenen Lines über Löcher und durch Stromschnellen sowie zu schönen, knackigen Kurven in Strudeln. Seine Konstruktionsmerkmale waren ein großartiges Mittel, um mich langsam an eine erste Abfahrt heranzuarbeiten – und auf einem Stück Fluss, auf dem ich die Linien kannte, war es einfach eine Freude, es völlig entfesselt zu benutzen.
 
Größenfrage
Im Sommer habe ich oft zwischen meinen Pyranha-Kajaks gewechselt und viel Zeit im Ripper, Large Scorch und seinem bahnbrechenden großen Bruder, dem Scorch X, verbracht. Endlich auf eine Reise zu gehen, den Scorch jeden Tag zu nutzen und die Designmerkmale dieses Kajaks wirklich zu verstehen, war für mich wunderbar. Wenn man ein Kajak wirklich kennt und versteht, holt man das Beste aus ihm heraus. Und obwohl ich den Scorch schon vor dieser Reise mochte, habe ich mich in Kenia in sein Design verliebt.
Ich hatte das Kajak in der Medium-Größe dabei, das sich bei meiner Größe erstaunlich gut anfühlte, einfach hin und her zu werfen, einfach, die Nase in die Luft zu bekommen. Allerdings fühlte es sich bei sehr kraftvollen, drängenden Wasserläufen für mich mit meinen 75 Kilogramm plus drei Kilo Kameraausrüstung plus fünf Kilo Sicherheitsausrüstung plus Ersatzpaddel gelegentlich ein wenig klein an. Die meiste Zeit wird das Medium meine erste Wahl sein, aber wenn ich mehr Ausrüstung im Kajak haben muss oder an wirklich herausfordernden Tagen werde ich mich für das Large entscheiden.
Eines steht jedenfalls fest: Als ich in Kenia jeden Zug präzise und schnell ausführte, hörten manche der wilden Tiere im Dschungel Geräusche, die sie noch nie zuvor gehört hatten. Ein Engländer kicherte vor sich hin, als er merkte, wie sicher ihn sein Kajak den Fluss hinab trug.

Technische Daten\\
Pyranha Scorch M

Material: PE
Länge: 267 cm
Breite: 63 cm
Volumen: 310 l
Lukengröße: 90 x 49 cm, big hole
Gewicht: 23 kg
Paddlergewicht: 65-90 kg
Preis: 1675,- Euro
Infos: www.pyranha.com

Der Autor
Brendan Orton gehört zu den namhaftesten Wildwasser-Paddlern der Welt und ist nicht zuletzt für seine spektakulären Freestyle-Moves bekannt. Seit seiner frühen Jugend hat »Bren« das Wettbewerbs-Paddeln und das Befahren extremer Gewässer zum Fulltime-Job gemacht. Ganz gleich, ob Bach, Fluss oder Wasserfall – der 28jährige Engländer fährt runter. Und ist bisher immer heil angekommen.

Der Autor: Extrempaddler Bren Orton