Ausrüstung Einzeltests

Ein toller Hecht!

Mit dem Pike bringt Prijon seine Wildwasser-Palette »up to date« und erweitert das bereits große Angebot in der neuen Klasse der Alleskönner-Kajaks: Wildwasser, Spaß und Spiel, Technik, Speed und Drehfreude – alles in einem Boot. Aber geht das überhaupt?

Manuel Arnu

Der Prijon Pike hat berühmte Vorfahren in der Wildwasser-Historie des Rosenheimer Herstellers. Prijon Hurricane und Fly waren bereits vor Jahrzehnten bahnbrechende und erfolgreiche Modelle, die seinerzeit schon die grundlegenden Merkmale besaßen, die heutzutage wieder modern werden: viel Kielsprung und Volumen im Bug, dazu ein dünnes, flaches Heck. So gesehen ist es überraschend, dass die Traditionsmarke Prijon nicht schneller auf den Zug aufgesprungen ist und ein neumodisches »Heckschleuder-Kajak« auf den Markt gebracht hat. »Half-Slice«-Kajaks, so heißen diese Boote im angloamerikanischen Raum (zu deutsch: halbe Scheibe). Und wie an der Wursttheke – wo es oft heißt: »Bitte recht dünn schneiden!« – ist es auch mit den neuartigen Kajaks. Je dünner das Heck, umso besser. Auf jeden Fall bedeutet das mehr Fahrspaß, und das ganz klar auch beim Prijon Pike!

Von der Pike auf!

Die große Kunst bei der Entwicklung der »Half-Slice«-Kajaks ist die knifflige Kombination eines voluminösen, stark aufgebogenen und wildwassertauglichen Bugs mit einem dünnen, langen und drehfreudigen Heck. Ich finde, Prijon hat beim Pike die richtigen Zutaten gefunden, herausgekommen ist ein echt »leckeres« Kajak! Kommt daher auch sein Name? Pike ist das englische Wort für: Hecht! Eine andere Übersetzung bedeutet Spieß, was ebenfalls sehr passend ist. Der Pike ist 273 Zentimeter lang und mit 61 Zentimeter Breite recht schmal geraten. Das prägt ganz klar den Grundcharakter des Bootes. Durch seine »spießige« (jetzt nicht falsch verstehen, auch wenn der Pike von mir keine Höchstnoten für seine eher schlichte Optik erhält), schmale Form zählt der Pike definitiv zu den sportlich-schnellen Riverrunnern. Das Boot glänzt auf dem Wasser mit viel Speed und guter Führung. Das schmale Unterschiff hat ebenfalls zur Folge, dass der Pike extrem schnell auf Kantenwechsel reagiert. Man könnte ihm vielleicht auch eine geringe Anfangsstabilität attestieren, aber eigentlich bringt die geringe Breite eher ein Pluspunkt an Agilität und leichtem Handling. Das gilt zumindest für leichtere Paddler. Das führt vielleicht zum größten »Schwachpunkt« des Bootes: Aufgrund der schmalen Plattform sinken schwere und große Paddler mit dem Pike etwas ab und viele positive Fahreigenschaften werden unter der Wasserlinie begraben. Prijon gibt das empfohlene Paddlergewicht bei 60 bis 90 Kilogramm an, ich persönlich würde sogar noch ein paar Kilo abziehen. Wenn man den Spieß aber umdreht, bekommen vor allem leichtgewichtige Paddler und Paddlerinnen oder Heranwachsende ein wirklich tolles Allround-Kajak mit hohem Spaßfaktor. Denn unterm Strich ist der Pike ein technisch höchst versiertes Wildwasserkajak, mit dem man das Paddeln von der Pike auf lernen kann.

Spielerisch – und seriös

Der Pike verlangt geradezu nach permanenter Fahrdynamik. Kein Wunder, denn die Entwickler des Sportlers waren allesamt ehemalige Slalom-Cracks. So kann das Boot dann auch diese Wurzeln nicht verbergen – und warum sollte es auch? Der Pike fährt tatsächlich ähnlich wie ein Slalomkajak, und das ist in meinen Augen ein echter Pluspunkt. Unterschneiden oder übers Heck drehen, das funktioniert mit dem dünnen, »slicy« Heck spielerisch einfach. Der Drehpunkt liegt nahe am Sitz, ähnlich wie man es von einem laminierten Wettkampfboot kennt. Einmal das Heck im Wasser, dreht und dreht und dreht das Boot! Wie ein Slalomboot reagiert der Pike präzise auf Kante und Gegenkante, das bringt enorme Fahrdynamik und viel Spaß beim Kehrwasserfahren. Mit dem Pike kann man sich Stück für Stück den bei Wildwasserpaddlern so beliebten Konterschlag abgewöhnen und die Paddeltechnik auf »fast forward« umstellen. Es lebe der Vorwärtsschlag! Viel Spaß beim Geschwindigkeitsrausch! Eins ist aber auch klar: Der Pike ist kein tiefergelegtes Sport-Kajak für Spezialisten, sondern bei aller Fahrdynamik auch ein seriöses Wildwasserkajak für eine Vielzahl an Wildflüssen und für Paddler aller Könnensklassen. Viel Volumen und mächtig Rocker im Bug verleihen dem Pike Sicherheitsreserven, gutes Auftauchverhalten und viel Kontrolle, vor allem auf wasserreichen Gewässern. Hier fühlt sich der Pike besonders wohl: Bei Wellen, Walzen, tiefen Kehrwassern, Prallpolstern und Verschneidungslinien offenbart er sein großes Spielpotenzial, aber auch sein präzises und agiles Fahrverhalten.

Zwei Versionen

Der Pike kommt in zwei Ausstattungsvarianten, in der »Sport«- und in der »Pro«-Variante. Beide Versionen umfassen einen angenehmen, ergonomisch geformten Sitz mit viel Halt, verstellbare 3-D-Schenkelstützen, Prallplatte und Hüftfittings. Die Ausstattung »Pro« ist für mittleres und schweres Wildwasser ausgelegt. Schaumkeile und eine Bodenschiene verstärken die Bootshülle zusätzlich. Die »Sport«-Version verzichtet auf diese Aussteifungen. Daher eignet sie sich besser für leichtes bis mittelschweres Wildwasser und ist etwa zwei Kilogramm leichter als das »Pro«-Modell. Die Ausstattung insgesamt ist funktional und komfortabel. Prallplatte, Sitz, Sitzgurt und Schenkelstützen lassen sich einfach und präzise anpassen, guter Bootskontakt ist garantiert. Einzig die Beinhaltung ist etwas altmodisch gestreckt, weil der Pike auf Ausbuchtungen und üppigen Platz für die Knie verzichtet. Vielleicht ein kleiner Nachteil der Pike-Spieß-Form. In der »Sport«-Version wiegt der Pike gerade einmal 18 Kilogramm, der »Pro« bringt 20 Kilo auf die Waage. Ein Umstand, den Paddler und Paddlerinnen in den Leichtgewichtsklassen bestimmt abfeiern. Das relativ geringe Gewicht wirkt sich direkt positiv auf die Fahreigenschaften im Wasser (Beschleunigen, Drehen, etc.) und natürlich auch auf das Handling an Land aus (Tragen, Aufladen, etc.). Schade nur, dass es den Pike nur in einer Größe gibt!
Für viele Konsumenten gewinnt die Nachhaltigkeit eines Produkts bei der Kaufentscheidung zunehmend an Bedeutung. Prijon hat dafür einiges zu bieten: HTP-Kajaks von Prijon werden in Deutschland hergestellt, »made in Rosenheim«. Laut Prijon kommen mehr als 80 Prozent aller Komponenten, die in den Kajaks verbaut werden, aus eigener Fertigung oder von Zulieferern in einem Radius von maximal 300 Kilometern. Material und Herstellungsverfahren von HTP-Kajaks gelten als ökologisch unbedenklich. Beschädigte Kajaks können zum Teil repariert werden. Alte, ausgediente Exemplare nimmt Prijon lebenslang kostenlos zurück. PE-Kajaks werden recycelt und können in anderen Bereichen weiter verwendet werden.

Beiden Ausstattungen gemeinsam: ergonomisch geformter Sitz, verstellbare 3D-Schenkelstützen, Hüftfittings und Prallplatte.

Fazit: Der Pike ist ein legitimer Erbe des legendären Prijon Hurricane. Wie sein Vorfahr überzeugt der Pike mit enormer Fahrdynamik und einem großen Wildwasser-Potential. Er bringt die Anforderungen der neuen Flachheck-Boote genau auf den Punkt. Auch bei Boatercrossrennen macht der Pike eine Top-Figur. Aufgrund der Ausmaße eher ein Boot für Leichtgewichte.

Technische Daten\
Prijon Pike

Länge: 273 cm
Breite: 61 cm
Volumen: 250 l
Gewicht: 18 kg (»Sport«) / 20 kg (»Pro«)
Material: HTP-PE
Empfohlenes Paddlergewicht: 60-90 kg
Lukengröße: 85 x 53 cm
Neospritzdeckengröße: L
Farben: rot, hellgrün
Preis: 1185,- Euro (»Sport«) / 1535,- Euro (»Pro«)
Infos: www.prijon.com