Ausrüstung Kaufberatung

Harte Schale, weicher Kern

Kopfverletzungen sind eine üble Sache – und oft lebensgefährlich. Daher gehört bei den meisten Paddlern ein Helm zur Ausrüstung. Fragt sich nur welcher.

großes Foto: Hersteller (WRSI/NRS)

Das kann passieren, wenn der Paddelhelm fehlt: ein Paddelkurs, irgendwo in Franken. Einer der Novizen in den Wildwasserkajaks ist ein massiger Kerl von fast zwei Metern Körpergröße. Ein Koloss in einer Nussschale. Dementsprechend ungünstig liegt der Schwerpunkt, und so geht der Bedauernswerte in einer etwas lang gestreckten Schwallstrecke unfreiwillig schwimmen. Keine dramatische Stelle, kein Wildwasser, und wenn doch, dann höchstens Stufe 1. Und trotzdem hätte die Sache schiefgehen können, denn an der »Unfallstelle« liegen mehrere Felsklötze im Wasser. Wenn man sich hier den Kopf anstößt – Ausgang ungewiss.
Die Moral der kleinen Anekdote: Man braucht beim Paddeln viel häufiger einen Helm als man denkt. Nicht nur im Wildwasser der Stufen 3 oder mehr, nicht nur im Seekajak unter bröseligen Klippen. Auch auf einem ganz normalen Wanderfluss kann man einen Helm gebrauchen – zumindest dann, wenn es zwischendurch über spritzig-sprudlig-steinige Stellen geht. Wenn die dann auch noch verblockt sind, umso mehr.

Wer’s braucht

Natürlich hat man beim Helmkauf wieder einmal die Qual der Wahl. Gelegenheitspaddler, die ab und an beim Binsenbummeln Steinkontakt voraussehen, können sich anfangs mit einem Fahrradhelm aushelfen. Wobei die Betonung auf dem Wort »anfangs« liegt. Denn erstens verfügen Paddelhelme über eine andere Art von Polsterung und Materialmix, die gegen eine andere Art von Schlägen schützt, als sie beim Fahrradfahren (oder auch auf Skiern) zu befürchten sind. Zweitens verfügen Paddelhelme zwar über Drainagelöcher, sind aber im Vergleich zu Fahrradhelmen eher geschlossen. Der Grund: Nach Möglichkeit sollen keine Äste in der Schale hängenbleiben, und auch etwas Schutz gegen Kälte ist durchaus erwünscht. Ein weiterer Unterschied: Die Polsterung von Paddelhelmen saugt sich kaum mit Wasser voll (und wird daher auch bei einer Rolle oder einem Vollbad nicht schwerer) – Helme für Radler oder Skifahrer sind da schon eher Schwämme.
Ergo: Für jeden, der den Kanusport auch nur ein bisschen ambitionierter betreibt, sollte ein echter Paddelhelm über kurz oder lang auf der Einkaufsliste stehen. Paddler, die die Eskimorolle beherrschen und auch damit rechnen sie anwenden zu müssen, brauchen einen Helm. Völlig unstrittig. Aber auch wer damit rechnet, »nur« mal umzukippen, sollte seinen Kopf schützen – Touren auf dem Meer, auf Seen und breiten, tiefen Wanderflüssen vielleicht mal ausgenommen.

Gut geschützt, auch abseits verblockter Wildwasserbäche: Ein Helm kann auch im Seekajak Sinn machen. Foto: PALM

Mindestanforderungen

Die Bandbreite des Angebots ist groß. Sie reicht von einfachen Helmen aus der Etwa-50-Euro-Liga bis hin zu Exemplaren, die aussehen wie ein Motorradhelm – für die »ganz wilden Hunde« im Wildwasser 5, wie NRS über das Modell WRSI Moment schreibt.
Es gibt allerdings ein paar Mindestanforderungen, die erfüllt sein sollten: Natürlich muss das Material schlagfest sein, aber das versteht sich von selber – Paddelhelme sollten nach der CE Norm EN 1385 zertifiziert sein, und zumindest die Exemplare auf den folgenden Seiten sind das auch. Die Größe muss individuell auf den Kopfumfang einstellbar sein, die Schaumpolsterung wasserabweisend und schnell trocknend, der Kinngurt weich und angenehm, Durchlüftung und Drainage durch ein paar Löcher gegeben.

Die gewissen Extras

Hochwertige Wildwasser-Helme bringen natürlich mehr mit. So wird die Stoßfestigkeit durch einen Materialmix in Außen- und Innenschale erhöht. Die Passgenauigkeit wird dadurch verfeinert, dass die Größe nicht nur durch eine Einstellscheibe am Hinterkopf justiert werden kann, sondern dass es den Helm obendrein in mehreren Größen gibt – und eventuell auch noch durch zusätzliche Schaumpads. Schön auch, wenn man das Innenfutter herausnehmen und auf diese Weise ruckzuck trocknen, waschen oder im Falle eines Defekts ersetzen kann. Ohrenklappen bieten zusätzlichen Schutz – nicht nur vor Schlägen, sondern auch vor Wind, Welle und Kälte. Dazu am besten noch ein Visier, im Optimalfall verstellbar, das die Augen vor Sonneneinstrahlung oder Regen bewahrt und neben dem Kopf auch das Gesicht schützt.
Ein Spezialist für Wildwasserhelme ist das »Whitewater Research and Safety Institute«, kurz WRSI. Auf den Helmen dieser Marke (außer Modell Trident) ist der Name Lucas Turner eingeprägt – ein junger Kajaker, der bei einem Unfall auf dem Payette River im US-Bundesstaat Idaho ums Leben kam. Ihm zu Ehren gründete seine Familie das »Whitewater Research and Safety Institute« und machte sich gemeinsam mit Forschern und Ingenieuren der John Hopkins University an die Entwicklung eines sicheren, modernen Wildwasserhelms. Besonderer Clou der WRSI-Helme: das »Interconnect Retention System«. Dabei sorgt ein spezielles Gurtbandsystem dafür, dass der Helm auch bei hartem Wasserdruck und nach massiven Schlägen die Position hält. Braucht man auf dem Wanderfluss nicht unbedingt, ist auf echtem Wildwasser aber sicher ein genialer Einfall. Schließlich hat man hier nur selten die Hände frei, um in Ruhe seinen Helm zurecht zu rücken.

Zum Beispiel: WRSI Current

Dreilagiger Aufbau aus ABS-Außenschale, PE-Innenschale und EVA-Schaum. Weiches, atmungsaktives Innenfutter, leicht herausnehmbar zum Trocknen, Waschen oder Ersetzen. Der Clou bei den WRSI-Helmen ist das sogenannte »Interconnect Retention System«: Clever konstruierte Gurtbänder halten den Helm auch bei hartem Wasserdruck und nach massiven Schlägen in Position. Ohrenklappen nachrüstbar.
Material: ABS, Innenschale PE
Gewicht: 658 g
Größen: S/M (53-56 cm), M/L (56-59 cm), L/XL (59-62 cm)
Farben: schwarz, rot, weiß, blau, lime
Preis: 119,95 Euro

WRSI Current

Zum Beispiel: Palm Shuck half-cut

Sportlich geschnittener Wildwasserhelm, robuste ABS-Schale, stoßabsorbierende Multi-Impact-Innenschale, Einstellscheibe am Hinterkopf, individuell einstellbare Schaumpads. Verstellbare Gurte mit seitlicher Steckschnalle und Kinngurt-Schutz. Voll waschbares, schnell trocknendes Innenfutter mit Polygiene-Geruchskontrolle (auch als full-cut-Variante zu haben, dann zusätzlich ausgestattet mit ABS-Ohrschutz mit 5mm-Schaumbeschichtung).
Material: ABS Spritzguss-Außenschale, Polypropylen (EPP) Innenschale
Gewicht: 533 g (L)
Größen: S (51-54 cm)‚ M (55-58 cm)‚ L (59-62cm)
Farben: weiß, blau, rot, schwarz
Preis: 119,- Euro (full-cut 132,- Euro)

Palm Shuck (half-cut)

Zum Beispiel: Prijon Kupa

Leichte Schale aus Polycarbonat, stufenloser Verstellmechanismus im Nacken (54 bis 61 Zentimeter). Für noch bessere Anpassung verschieden dicke Schaumpolster im Lieferumfang. Komfortables Innenfutter, das kein Wasser aufsaugt. 14 Belüftungsöffnungen. Abnehmbare, gepolsterte Ohrpads.
Material: Polycarbonat
Gewicht: 320 g
Größen: Einheitsgröße (54-61 cm)
Farben: orange, giftgrün
Preis: 159,90 Euro

Prijon Kupa

Zum Beispiel: NRS Havoc

Einheitsgröße für fast alle Erwachsenen, einstellbar mit DialFit-Verstellsystem (Verstellknopf) auf Kopfgrößen von 55 bis 59 Zentimetern. ABS-Schale, Futter aus EVA-Schaum. Löcher für Ventilation und Drainage.
Material: ABS
Gewicht: 454 g
Größen: Einheitsgröße (55-59 cm)
Farben: gelb, blau, rot, weiß
Preis: 54,95 Euro

NRS Havoc

Weitere Helm-Modelle werden vorgestellt in der KANU-Ausgabe 2/2022, hier nachzubestellen:
https://shop.jahr-tsv.de/kanu/2047728?itemId=2047728&productId=70521286