Ausrüstung Einzeltests

Mit feiner Klinge

Der Name »Machete« hört sich etwas grobschlächtig an. Doch Lettmanns neuestes Wildwasser-Kajak ist ein hochpräzises Werkzeug mit exakter Kontrolle – und ziemlich auf die Spitze getriebener Volumenverteilung.

Manuel Arnu

Eine Machete – das ist eigentlich ein großes Buschmesser mit langer Klinge, für hackende und hauende Bewegung. Ein äußerst robustes Messer für grobe Arbeit. Am häufigsten wird eine Machete als Werkzeug bei der Rohrzuckerproduktion verwendet, zum Schneiden der dicken Stängel des Zuckerrohrs, aber auch bei der Entfernung von Unkraut. Im Kino hacken sich Typen wie Indiana Jones mit einer Machete durch undurchdringlichen Dschungel, bevor sie den Tempel des Todes finden. Dies ist das Bild, das vermutlich die meisten vor Augen haben, wenn sie an eine Machete denken. Lettmann taufte sein jüngstes Werk, einen schnittigen Riverrunner fürs Wildwasser, nun ebenfalls »Machete«. Die Bootswerft aus Moers am Niederrhein hat ja durchaus eine Schwäche für martialische Namensgebung, aber eigentlich hätte die Lettmann Machete einen passenderen Namen verdient. Das schicke Flachheckboot ist alles andere als ein grobschlächtiges Buschwerkzeug. Das spielfreudige Boot mit messerscharfen Kanten hinter dem Sitz lässt sich vielmehr mit feiner Klinge fahren, mit ihm kann man Kehrwasser tranchieren und präzise Routen in einen Wildfluss schneiden. Aber mal ganz ehrlich: Lettmann Konditorsäge oder Lettmann Tranchiermesser klingt jetzt nicht so cool, oder?

Vorne bullig, hinten zart


Also gut, dann eben »Machete«! Eigentlich war klar, dass Lettmann früher oder später ebenfalls ein Boot in der Flachheck-Klasse herausbringen würde. Kein Hersteller von Wildwasserkajaks kann momentan auf diese Alleskönner-Boote verzichten. Diese Boote sind, dank eines Mix aus vielfältigen Eigenschaften von Creekern und Spielbooten, perfekt für Paddler jeglicher Könnensstufen. Schaut man sich derzeit auf Europas Flüssen um, versteht man schnell, dass diese Bootsklasse aktuell das Brot- und Butter(messer?)-Geschäft der Wildwasserkajak-Hersteller ist. Nicht ganz klar ist, warum Lettmann mit dem Einstieg so lange gezögert hat. Denn eigentlich besitzt die Moerser Kajakwerft mit Jochen Lettmann, einem Olympischen Bronzemedaillengewinner im Kanuslalom, genau die richtige Kernkompetenz und Erfahrung, um ein Boot dieser Klasse in Vollendung zu bauen. Zugegeben: an Land – und vor allem von der Seite – sehen die modernen »Half Slice«-Kajaks gewöhnungsbedürftig bis befremdlich aus. Mit einem bulligen und stark aufgebogenem Bug und extrem dünnem Heck wirken sie unausgewogen und erinnern eher an eine der umstrittensten Frisuren der vergangenen Jahrzehnte, an den trashigen »Vokuhila«. Sitzt man aber selbst in einem dieser Boote, fällt die Disbalance überhaupt nicht mehr auf, und das Grinsen bleibt im Gesicht. Dauerhaft! Und bei der Lettmann Machete ist das nicht anders.

Exakte Kontrolle


Auf dem Wasser kann die Machete ihre Slalom-Gene nicht leugnen. Präzise, lange Kanten im Unterschiff geben dem Boot viel Führung und prägnante Fahreigenschaften. Das Kajak lässt sich sehr exakt im Zusammenspiel mit Kante und Gegenkante steuern, dadurch vermittelt die Machete ein enorm sportliches Fahrgefühl. Schrägwellen, Schiebewasser, kleine Walzen lassen sich perfekt für die Unterstützung von Fahrmanövern kapern. Arbeitet man gefühlvoll mit den Kanten, zieht das Boot sauber, schnell und immer mit Vorwärtsdrang durch ein Kehrwasser. Die Machete ist aber kein auf Speed getrimmtes Extrem-Kanuslalom-Boot. Im Gegenteil: Sie überzeugt vielmehr mit ihren WW-Eigenschaften und dem Spaßfaktor. Lettmann hat bei der Machete die Volumenverteilung und den Rockerverlauf ziemlich auf die Spitze getrieben. Das Boot hat sehr viel Volumen im Bug und hinter dem Sitz ein extrem dünnes Heck, mit einem praktisch konkaven Oberschiff. Dazu kommen mächtig viel Rocker und ein breites, kastenförmiges Unterschiff. Das prägt die Fahreigenschaften. Die Machete zählt vielleicht nicht zu den schnellsten Heckschleudern, dafür glänzt sie im Wildwasser mit zuverlässigen Fahreigenschaften. Der voluminöse und stark aufgebogene Bug sorgt für bestes Auftauchverhalten, und Boofen geht leicht von der Hand. Überhaupt wirkt die Machete im Wildwasser recht gutmütig und unaufgeregt, was man bei dem kastigen Unterschiff gar nicht so erwarten würde. Das Zusammenspiel von scharfen Kanten und dem immensen Kielsprung ist aber auch der Grund dafür, dass die Machete toll auf der Welle liegt. Surfen ist eine ihrer Paradedisziplinen. Der dicke Bug spitzelt selten ein, die Kanten geben exakte Kontrolle, und dank des schlanken Hecks reagiert das Boot auf jeden kleinen Steuerschlag. Surfen ist mit der Machete kein Kraftakt, sondern Spaß pur! Das extrem dünne, faktisch konkave Heck ist vielleicht auch das Hauptmerkmal der Machete, vor allem im Vergleich mit seinen Mitbewerbern. Das Boot lässt sich extrem leicht unterschneiden, das schnittige Heck reagiert im Kehrwasser wie ein Präzisionswerkzeug.

Die Machete verleitet einen schnell zum 3-D-Fahrstil: waagrecht, senkrecht, eigentlich egal. Hauptsache Spaß! Im schlanken Heck steckt Potential für große Show – aber auch für ein klein wenig Drama, das sollte nicht verschwiegen werden: Das konkave, niedervolumige Heck reagiert natürlich auf viel Wasserdruck und mangelnde Kant-Technik etwas reizbar. Fahrfehler, zu viel Rückenlage, falsche Kante bestraft die Machete mit erhobenem Zeigefinger, dann steht das Boot im Nullkommanichts senkrecht im Wasser wie ein großes Ausrufezeichen! Sollten die Fahreigenschaften bei der Machete nicht sofort überzeugen, nicht gleich die Flinte ins Korn werfen! Wie bei vielen Booten mit extremem Kielsprung verändern sich die Fahreigenschaften stark mit der Trimmung des Bootes. Und der Schwerpunkt ist aufgrund von Gewicht und Größe bei fast jedem Paddler unterschiedlich. Also ruhig mal den Sitz nach vorne oder hinten trimmen und beobachten, wie sich die Fahreigenschaften verbessern oder verändern. Sitz vorne gibt meist mehr Führung, Speed und weniger Anfälligkeit am Heck. Sitz hinten sorgt für bessere Drehfreude, leichteres Boofen und Surfen, aber auch ein nervöseres Heck.

Individuell anpassbar


Die Ausstattung ist tadellos und funktionell. Sitzkomfort und Halt im Boot sind ausgezeichnet, die große Luke erleichtert das Einsteigen. Lobenswert: Die Machete ist individuell sehr anpassbar, und das gilt nicht nur für die Farbe. Gewicht (Machete Creek 21 Kilogramm, Race 19 Kilogramm), drei verschiedene Sitzvarianten (Sport 38, Rodeo 36, Flexi 44), 3D-Pralltopf und Oberschenkelhalter sind in mehrfacher Ausführung erhältlich. Das macht es einfach, die Machete perfekt an die Körpermaße anzupassen. Und noch besser: Das Kajak gibt es in zwei Größen (Machete 85/Machete 65). Somit findet fast jeder Paddler die passende Klinge. Ich habe beide Boote auf Saalach, Brandenberger Ache, Inn und Mangfall getestet. Die Machete 85 mit schien mir mit meinen 70 Kilogramm Körpergewicht und 172 Zentimetern Körpergröße eher zu groß zu sein. Dafür war die Machete 65 wie gemacht für mich. Auch bei den Besuchern der Paddle Sports Show 2021 in Lyon kam das Boot gut an: Die Machete gewann dort den Award für das »Product of the year«.

Fazit: tolles Allroundkajak mit überraschend guten WW-Eigenschaften und extrem hohem Spaßfaktor. Holt alles aus dem Paddler und dem Fluss heraus! Gibt es zum Glück in zwei Größen!

Das hat uns gefallen/nicht gefallen

  • sehr hoher Spaßfaktor
  • gute WW-Eigenschaften
  • zwei Größen
  • großer Sitzkomfort
  • individuell anpassbar
    – etwas frontlastig (schwere Prallplatte)

Technische Daten\
Lettmann Machete 65

Länge: 260 cm
Breite: 63 cm
Volumen: 240 Liter
Lukengröße: 92 x 51 cm
Gewicht: 18 kg (Race)/20 kg (Creek)
Zuladung: max. 100 kg
Farben: gelb, orange, rot, blau, pink, lime, multicolor
Preis: 1299,- Euro

Technische Daten\
Lettmann Machete 85

Länge: 270 cm
Breite: 65,5 cm
Volumen: 270 Liter
Lukengröße: 92 x 51 cm
Gewicht: 19 kg (Race)/21 kg (Creek)
Zuladung: max. 120 kg
Farben: gelb, orange, rot, blau, pink, lime, multicolor
Preis: 1299,- Euro

Infos: www.lettmann.de