Einzeltests

PH Virgo

»Endlich ein PE-Seekajak für ernsthafte Tages- und Wochenendtouren« – mit diesen Worten wurde das Virgo angekündigt und beworben. Was auch schon deutlich macht, womit man es beim neuen Spross aus dem Hause P&H zu tun hat: mit einem Boot nämlich, dessen Revier im Touringbereich mindestens ebenso zu finden ist wie in der Seekajak-Sparte. Für Wanderzwecke prädestinieren das Kajak schon allein die vergleichsweise übersichtliche Länge von 443 Zentimetern und die »gemütliche« Breite von 58,5 Zentimetern. Für diese Grundmaße ist das Boot allerdings erstaunlich flott unterwegs. Robert Leidel, der in Konstanz am Bodensee, in Stralsund an der Ostsee und in Lüneburg eine Kanuschule betreibt (www.paddelprofi.de) und das Virgo seit diesem Jahr im Einsatz hat, sagt dazu: »Bei den Gruppenfahrten ist klar zu erkennen, dass das Virgo bei etwa gleich starken Paddlern mit den klassischen Seekajaks gut mithalten kann. Man ist damit nicht unbedingt als erster am Ziel – steht aber auch nicht abgehängt an der Ampel.« Zum flotten Tempo trägt natürlich das Design des Rumpfs bei: Das Boot verfügt nur über einen moderaten Kielsprung und dementsprechend über eine ausgeprägte Wasserlinie – und folgt somit dem Grundsatz »Länge läuft«.
Nun sollte man vermuten, dass ein solches Rumpflayout auf Kosten der Wendigkeit geht. Und in der Tat ist das Virgo nicht gerade als Kurvenstar konzeptioniert – aber doch wendig genug auf der Kante, um auch durch einen mäandernden Kleinfluss manövrieren zu können.

Mit Komfort auf Kurzreise

Dass das Boot nicht nur bei gemütlicher Binsenbummelei eine gute Figur macht, haben die Testfahrten am Bodensee gezeigt. Schon seit drei Tagen ist es regnerisch und windig, das Schwäbische Meer zeigt sich von seiner aufgewühlten, kabbeligen Seite. Und wo uns das nicht reicht, sorgen Ausflugsschiffe und Fähren ab und an für stärkere Wellen. Kein Problem für das Virgo. Sauber schneidet der unten V-förmig schmale und nach oben verbreiterte Bug durch die grauen Wellen. Angenehme Nebenwirkung: Der Paddler kriegt trotz Wind und Welle kaum »Gesichtsduschen« ab. Die Laufeigenschaften bleiben erfreulich, und wenn man das Skeg ausfährt, bleibt das Boot noch um ein paar Nuancen besser in der Spur. Für Fahrten unter der Küste ist das Virgo also durchaus eine Alternative, auch wenn es bei wirklich rauen Meeresverhältnissen einem längeren, eng anliegenden Seekajak in puncto Laufeigenschaften unterlegen sein dürfte.

Zudem erfreut das Virgo durch eine hohe Anfangsstabilität, die dafür sorgt, dass sich auch Einsteiger im Cockpit schnell heimisch fühlen. »Man kann hier fast jeden reinsetzen«, sagt Robert Leidel – und als Besitzer einer florierenden Kanuschule muss er es ja wissen. Leidel schränkt allerdings ein: Wie viele Boote von P&H sei auch das Virgo nicht unbedingt für den Typ »langer Lulatsch« geschaffen. Mit seinen 1,82 Meter Körpergröße komme er zwar gut klar, müsse die Fußstützen aber schon nah an die vordere Gepäckraum-Abschottung befördern. Insgesamt sieht er die Zielgruppe des Virgo in Einsteigern und erfahrenen Paddlern, die aber eher eine gemütliche Tour als sportliche Höchstleistungen anstreben. »Und zwar eine von einem bis drei, vier Tagen Länge«, meint er. Dafür sei der Stauraum ausreichend, für längere Unternehmungen aber doch etwas begrenzt – was unter anderem durch das niedrige Heck bedingt ist, das durch seine flache Form einen Wiedereinstieg nach einer Kenterung erleichtern soll.

Gut gerüstet

Womit wir bei der Ausstattung wären – und die ist P&H-typisch hochwertig, ebenso wie die Verarbeitung des Ganzen. Zwei abgeschottete Gepäckräume bilden den »Kofferraum«, wobei der im Bug mit einer runden, der im Heck mit einer ovalen Luke zu erreichen ist. Direkt vor dem Cockpit befindet sich eine Tagesluke für all das, was man ständig erreichbar haben möchte. Im Cockpit selbst sorgt ein Sitz mit verstellbarem Rückengurt für Komfort, verstellbare Schenkel- und Fußstützen für guten Halt. Die Decksbeleinung schafft zusätzliche Aufnahmekapazität für Gepäck, dient aber auch Rettungszwecken. Die Haltegriffe sind an Kordeln angebracht – und erlauben so das Tragen des Bootes, ohne die Handgelenke verdrehen zu müssen.

Zu guter Letzt verfügt das Virgo auch noch über ein Steuer-Skeg, das im ausgefahrenen Zustand Geradeauslauf und Manövrierfähigkeit nochmal etwas verbessert. »Nice to have«, aber zumindest bei gemütlichen Vorhaben eigentlich kein »must have« – das Virgo hat sich auf dem Bodensee auch mit eingefahrenem Skeg als gehorsames Reittier erwiesen, das brav seine Schnauze dahin hält, wo der Reiter hin will. Und zwar auch ohne dass der viel Energie in den Geradeauslauf investieren musste.
Viel Kraft braucht der Besitzer übrigens auch dann nicht, wenn er sein Boot aufs Autodach hieven will: Mit 23,5 Kilogramm ist es für seine Länge erstaunlich leicht, zumindest wenn man die hochwertige Variante aus Corelite X-Material erworben hat, einem dreilagigen Polyethylen.

Fazit: Das Virgo ist ein hochwertig ausgestattetes Kajak, das sämtliche Reviere für den Wanderpaddler ebenso abdeckt wie Küstenfahrten auf dem Meer bei gemäßigten Verhältnissen. Gedacht ist es für Tagesfahrten bis zu Kurztripps von ein paar Tagen, wobei die Beschränkung eher durch den Stauraum als durch die Laufeigenschaften zustande kommt. Das Boot ist mit seiner großen Stabilität für Einsteiger geeignet, ist aber sportlich genug, um auch erfahrenen Paddlern noch lange Freude zu bereiten.

Technische Daten

Länge: 443 cm

Breite: 58,5 cm

Cockpit: 81 cm

Material: PE

Gewicht: 23,5 kg (CoreLite x)

empf. Paddlergewicht: 55-100 kg

Farben: gelb, orange, blau

Preis: ab 1049,- Euro (einf. PE), ab 1470,- Euro (CoreLite X)

Weitere Infos: www.phseakayaks.com