Ausrüstung Einzeltests

Nimm’s leicht!

Übersichtliche Größe, geringes Gewicht, eine große Einstiegsluke, jede Menge Anfangsstabilität: Prijons Vellamo macht seinem Besitzer das Paddlerleben so leicht wie möglich.

Alexander Kaßler

Zum ersten Mal konnte man den Vellamo auf der Paddle Expo 2019 betrachten. Als Schaummodell am Prijon-Stand. Die Zeichen deuteten damals schon auf einen Trend, der die Paddelbranche und so gut wie alle anderen Outdoor-Sportarten betraf und bis heute betrifft: weg von der Fokussierung auf ein Hobby, hin zum Ausprobieren von mehreren, weg vom Ehrgeiz und dem Streben nach ernsthaften Herausforderungen, hin zu unkompliziertem Spaß an Bewegung und frischer Luft. Die Bootsbauer reagierten und forcierten die Entwicklung der sogenannten Freizeitkajaks, die ihren Besitzern das Handling an Land und das Paddeln auf dem Wasser so einfach wie möglich machen sollen.
Beim Vellamo hat Prijon dieses Konzept konsequent zu Ende gedacht. Das fängt schon mit der übersichtlichen Länge von 330 Zentimetern an, die dem »User« sowohl das Herumhantieren mit seinem Schifflein als auch dessen Unterbringung erleichtert. Dazu kommt das geringe Gewicht von gerade mal 18 Kilogramm, das durch die Verwendung des hauseigenen PriLite (ABS)-Materials erreicht wird – und dass es auch weniger kraftstrotzenden Zeitgenossen ermöglicht, das Boot vergleichsweise mühelos zum Einstieg zu tragen oder aufs Autodach zu heben.
Die nächste Stufe auf der Nimm-das-Leben-leicht-Skala erklimmt das Boot durch eine üppig dimensionierte Einstiegsluke von 97 Zentimetern Länge. Hier hineinzuschlüpfen ist kaum schwieriger als abends Position auf dem Fernsehsessel zu beziehen – und das auch dann, wenn die Knochen des Vellamo-Besitzers vielleicht nicht mehr ganz so gelenkig sind wie zu Kindertagen. Ach ja, wo wir schon beim Sesselvergleich sind: Durch die breite Basis im Sitzbereich und die dadurch bedingte hohe Anfangsstabilität weckt der Vellamo bei seinem Insassen kaum weniger Vertrauen als die heimische Polstergarnitur.

Einstieg leicht gemacht: Die Cockpitluke des Vellamo ist stolze 97 Zentimeter lang. Vergleich mit der Luke des Narva (88 Zentimeter).

Und auf dem Wasser?
Wer das Fahrverhalten eines Bootes beurteilen möchte, macht es am besten wie bei einer Weinprobe: Man probiert mehrere Arten hintereinander aus, sowohl sortenreine als auch Cuvées, preiswerte und teure, und testet im direkten Vergleich, was einem am besten schmeckt. Was Boote betrifft, geht das am besten auf einem der Testivals, die im Frühling und Frühsommer landauf, landab stattfinden. Wer dabei direkt nach (oder von mir aus auch vor) der Proberunde mit dem Vellamo in ein schlankes, schnittiges Fünf-Meter-Seekajak steigt, erspürt am unmittelbarsten die Stärken und Schwächen beider Boote.
Natürlich ist der Vellamo kein Rennkajak. Kann er auch nicht sein bei der Länge, und will es auch gar nicht. Freizeitkajaks sind nicht dafür geschaffen, strapaziöse Eilmärsche mit Gepäck durchzustehen wie eine Kompanie Fallschirmjäger, sondern dafür, gemütlich spazieren zu gehen. Den zweiten Aha-Effekt (nach der bombensicheren Anfangsstabilität) verschafft einem der Vellamo beim Geradeauslauf: Trotz seiner bescheidenen 330 Zentimeter Körpergröße hält er die Nase nach vorn gerichtet, auch wenn der Fahrer mal durch einen vorbei schwirrenden Eisvogel oder die Vorfreude auf ein kühles Bier abgelenkt wird und sein Paddel eher schludrig durchs Wasser zieht. Diese Spurtreue verdankt das Boot den ausgeprägten Kanten im Unterschiff. Weniger überraschend ist naturgemäß die ausgeprägte Wendigkeit des Vellamo: Eine 180-Grad-Wende passiert hier (gerade auch im Vergleich zum bereits erwähnten Fünf-Meter-Seekajak) fast schon auf dem oft zitierten Bierdeckel.

Revier und Reichweite
Auf seiner Website empfiehlt Prijon den Vellamo für »stehende Gewässer« – aber das ist eigentlich eine Spur zu bescheiden: Mit diesem Boot kann man sich durchaus auch auf einen zahmen aber kurvigen Wanderfluss wagen. Wer bei solchen Unternehmungen öfter mal über Steine rumpelt oder an Ästen entlang schrammt, sollte sich allerdings doch die Anschaffung eines PE-Kajaks durch den Kopf gehen lassen – so etwas mag das ABS-Material nämlich nicht sonderlich.
Was die Ladekapazität betrifft, ist der Vellamo mit seinen 90 Litern Stauraum unter der Heckluke geschaffen für Tagestouren. Was nicht bedeutet, dass man mit diesem »Schifflein« nicht ein Wochenende oder auch eine Woche unterwegs sein könnte: Dann müssen eben die Mitpaddler das nötige Gerümpel in ihre Lastkähne packen.
Übrigens: Wer sich ein (fast) ebenso leichtes Kajak aus dem Hause Prijon mit etwas sportlicheren Eigenschaften für etwas ambitioniertere Vorhaben wünscht, der sollte den Vellamo mit einem anderen PriLite-Kajak, dem Narva, vergleichen – eine der beiden Geschmacksrichtungen dürfte sicher munden.

Der Vellamo ist kein Frachtschiff – aber das Necessaire für eine Tagestour passt mühelos hinein.

Fazit: Nochmal ein kurzer Blick auf die Prijon-Website. Der Hersteller empfiehlt sein neuestes Freizeitkajak hier für Einsteiger und Gelegenheitspaddler. Naja, wer gerade seine ersten Meter paddelt (und vielleicht noch gar nicht weiß, ob er dabei bleibt) oder sich zwei Mal im Jahr für ein paar Stunden aufs Wasser wagt, dem dürfte ein simpleres (billigeres) Freizeitkajak aus PE ausreichen, auch wenn’s ein bisschen schwerer ist. Wer aber regelmäßig Tagestouren auf friedlichen Gewässern genießt und sich dafür ein Kajak wünscht, das an Land und auf dem Wasser mühelos zu handhaben ist und obendrein jede Menge Spaß verspricht, der ist mit dem Vellamo richtig beraten. Zumal das Boot mit seiner grün-weißen oder orange-weißen Metallic-Optik auch noch todschick aussieht.

Ein rundum »userfreundliches« Boot: kompakte Länge, große Einstiegsluke, geringes Gewicht, viel Anfangsstabilität durch die breite Basis im Sitzbereich.

Technische Daten\
Prijon Vellamo
Material: PriLite (ABS)
Länge: 330 cm
Breite: 69 cm
Gewicht: 18 kg
Cockpit: 97 cm
Volumen: 370 l
Zuladung: 115 kg
empf. Paddlergewicht: 60-105 kg
Stauraum: hinten (90 l)
Farben: grün-weiß, orange-weiß, weiß
Preis: 1877,- Euro
Infos: www.prijon.com